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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Klang das tote Draußen in Schlaf sinken. Meine Seele war die immergleiche, zwischen Bettlaken wie zwischen Leuten: sich der Welt schmerzhaft bewußt. Der Tag ließ auf sich warten wie auch das Glück, mir war in dieser Stunde, als kämen sie nie.
    Ach, kämen Tag und Glück doch tatsächlich nie! Dann bliebe der Hoffnung zumindest die Enttäuschung der Erfüllung erspart!
    Das unerwartete Geräusch eines späten, hart über das Pflaster holpernden Wagens stieg vom einen Ende der Straße her an, wurde unter meinem Fenster zu Geknatter, erstarb allmählich hin zum anderen Ende der Straße, hin zum Ende meines Schlafes, der sich nie richtig einstellte. Ab und an schlug eine Tür im Treppenhaus. Mitunter planschten Schritte, raschelten nasse Kleider. Hin und wieder, wenn die Schritte zunahmen, klangen sie lauter, aggressiver. Verhallten sie, kehrte die Stille zurück, und es regnete weiter, ohne Ende.
    Öffnete ich die Augen aus meinem Scheinschlaf, huschten über die dunkel sichtbaren Wände meines Zimmers Traumfetzen, matte Lichter, schwarze Striche, fast nichts, wandauf, wandab. Die Möbel, größer als bei Tag, fleckten undeutlich das absurde Dunkel. Die Tür deutete sich durch etwas an, das weder weißer war noch schwärzer als die Nacht, und dennoch anders. Das Fenster hingegen hörte ich nur.
    Frisch, fließend, unbestimmt klang der Regen. Die Zeit verlangsamte sich bei seinem Geräusch. Meine seelische Einsamkeit wuchs, breitete sich aus, ergriff Besitz von dem, was ich fühlte, herbeisehnte, zu träumen begann. Die undeutlichen Gegenstände, die im Dunkel meine Schlaflosigkeit teilten, fanden Platz und Schmerz in meiner Untröstlichkeit.

241
    Dreieckiger Traum
    Das Licht hatte ein übertrieben langsames Gelb angenommen, schmutzig und fahl. Die Abstände zwischen den Dingen waren größer geworden, die Geräusche seltener, anders, unzusammenhängend. Kaum hatte man sie vernommen, erstarben sie unvermittelt, als hätte man sie kurzerhand unterbrochen. Die Hitze, die scheinbar zugenommen hatte, schien kalt, obgleich sie Hitze war. Durch den schmalen Spalt der angelehnten Fensterläden zeigte sich der einzig sichtbare Baum übertrieben erwartungsvoll. Sein Grün war anders, durch und durch Stille. Die Atmosphäre hatte sich geschlossen wie Blütenblätter. Und in der Struktur des Raumes selbst hatte eine andere Wechselbeziehung zwischen Flächen ähnlichen Dingen die Art verändert und gebrochen, mit der Geräusche, Licht und Farben den Raum nutzen.

242
    Neben unseren profanen Träumen – dieser tagtäglichen Schande der Hinterhöfe unserer Seele, die niemand einzugestehen wagt und die durch unsere schlaflosen Nächte spuken wie widerwärtige Gespenster, klebriger, schmieriger Aussatz unserer unterdrückten Empfindsamkeit – welch lächerliche, erschreckende und unsagbare Dinge vermag unsere Seele neben diesen Träumen mit ein wenig Mühe auf ihrem Grund zu erkennen!
    Die menschliche Seele ist ein Irrenhaus des Grotesken. Könnte eine Seele sich wahrhaft offenbaren, wäre ihre Scham nicht größer als alle bekannte und benannte Schamhaftigkeit, und sie wäre, wie es von der Wahrheit heißt, ein Brunnen, doch ein finsterer Brunnen voll unbestimmter Echos, bevölkert von abscheulichen Existenzen, schleimigen Wesen ohne Leben, Schnecken ohne Sein, Rotz unserer Subjektivität.

243
    4 .  11 .  1931
    Wer immer einen Katalog von Ungeheuern erstellen wollte, müßte nur in Worten jene Dinge photographieren, die die Nacht schläfrig schlaflosen Seelen zuträgt. Diese Dinge sind zusammenhanglos wie Träume ohne das Alibi, man habe geschlafen. Sie schweben wie Fledermäuse über der Passivität der Seele oder wie Vampire, die das Blut der Unterwürfigkeit saugen.
    Es sind Larven im Müll an den Abhängen, Schatten, die das Tal bevölkern, Spuren, zurückgelassen vom Schicksal. Manchmal sind es Würmer, ekelerregend selbst für die Seele, die sie hegt und aufzieht; ein andermal sind es Gespenster und umkreisen düster ein Nichts; dann wieder schnellen sie wie Schlangen aus den absurden Schlupfwinkeln verlorener Gefühle.
    Ballast des Trugs, besteht ihr Nutzen einzig darin, uns unnütz zu machen. Es sind in die Seele gestreute Zweifel des Abgrunds, schläfrig kalte Falten im Gefolge. Sie vergehen wie Rauch und verwehen wie Spuren und waren nie mehr als der sterile Stoff unseres Bewußtseins von ihnen. Bisweilen sind sie wie ein inneres Feuerwerk: Es steigt eine Zeitlang glitzernd auf zwischen Träumen, und alles

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