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Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen

Titel: Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen Gleason
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Mullingtons kam ihr gleichzeitig unendlich lang und viel zu kurz vor. Victoria war erschöpft von ihrer Woche der nächtlichen Streifzüge, und die Geschehnisse der
vergangenen Nacht - in Sebastians Kutsche und in der Gewalt der Vampire - hatten sie zusätzlich aus dem Gleichgewicht gebracht.
    Obwohl ihr davor graute, Rockley zu begegnen, freute sie sich insgeheim sogar ein wenig auf diesen ihr aufgezwungenen Abend, da er Normalität versprach; sie würde essen und trinken, tanzen und flirten - und mit Menschen plaudern und scherzen, die weder rote Augen noch Fangzähne hatten.
    Oder engelsgleiche, goldene Gesichtzüge und den Hang zu sehr unanständigen Küssen.
    Verbena hatte sie natürlich mit ihren Pflöcken ausgestattet, auf die Gefahr hin, dass ein herumstreunender Vampir bei dem Ball auftauchen sollte. Aber das war unwahrscheinlich, da Mullington House früher eine Abtei gewesen war und überall, auch am Eingangstor, religiöse Relikte und Symbole erhalten geblieben waren. Und nachdem Sebastian ihr außerdem erzählt hatte, dass die Vampire sich wegen Victorias aggressiver Jagd im Silberkelch verschanzt hatten, war sie sich ziemlich sicher, dass es eine ereignislose Nacht werden würde. Trotzdem war sie gern vorbereitet.
    Sebastian. Victoria empfand abwechselnd Übelkeit, Verwirrung und unangenehme Wärme, wenn sie an ihn und das Vorgefallene dachte. Er hatte ihre Brüste geküsst! Und sie hatte ihn gelassen, es in Wahrheit sogar genossen. Es ziemlich genossen. Es überaus genossen.
    Selbst jetzt noch durchströmte sie feurige Hitze, wenn sie daran zurückdachte, wie riskant und erregend es gewesen war, seine feuchten Lippen über die Haut dieser intimen Körperstelle streifen zu fühlen. Wie sie, noch während es geschah, mit
sich gerungen hatte, ob es nun richtig oder falsch war. Und dass es überhaupt nicht schwierig gewesen war, seine Küsse zu erwidern.
    Hatte er sie wirklich diesen Vampiren ausgeliefert?
    Sie konnte nicht glauben, dass er so etwas tun würde, andererseits war das Ganze zu glatt abgelaufen. Und das, was sie am meisten beunruhigte, war zum einen, dass er es nicht geleugnet hatte, und zum anderen, dass er gewusst zu haben schien, dass sie am Ziel angekommen waren, noch bevor die Kutsche gehalten hatte. Genau zu dem Zeitpunkt, als Victoria die unheilvolle Kälte in ihrem Nacken verspürt und geahnt hatte, dass sie in Schwierigkeiten steckten.
    »Victoria, hör mit deiner Tagträumerei auf. Wir sind da, und du hast deine Stola noch nicht umgelegt!«
    Ach ja, die Stola. Sie musste ihre Stola umlegen.
    Victoria stellte sich so aufrecht hin, wie es die Kutsche erlaubte, neigte den Kopf, sodass ihr Haar beinahe das Dach berührte, dann zog sie sich den Schal um die Schultern und ließ ihn nach unten zu ihren Ellbogen gleiten. Ruckelnd bewegte sich die Kutsche in der Schlange der Fahrzeuge weiter, die alle darauf warteten, ihre Gäste auszuladen, und Victoria taumelte zur Seite. Sie drapierte ihren Schal neu und blieb abwartend stehen, die Füße auf undamenhafte Weise gespreizt, um das Gleichgewicht zu halten.
    »Setz dich, Victoria«, befahl ihre Mutter ungeduldig.
    »Ich bleibe stehen. Wir haben das Ende der Schlange fast erreicht.« Sie war plötzlich zu unruhig, um tatenlos herumzusitzen. Ihr Magen hüpfte auf und ab. Sie wusste, dass Rockley heute hier sein würde. Auch wenn er alle anderen gesellschaftlichen
Anlässe während der letzten zwei Wochen gemieden hatte, heute würde er erscheinen. Die Mullingtons waren entfernte Verwandte von ihm.
    Dann endlich konnte Victoria aus der warmen Kutsche in die feuchtschwüle Abendluft treten. Die Sonne war schon fast untergegangen und nur noch als rotes Glühen am Horizont erkennbar, während das Blaugrau der Nacht bereits die Dächer und Hausmauern in der Ferne färbte. Wandleuchter und Laternen warfen ihren warmen, gelben Schein auf den gepflasterten Weg zum großen Eingangsportal, das für die Besucher offen stand.
    Als sie angekündigt wurden, ließ Victoria den Blick über die Gäste schweifen, die sich unterhalb der ausladenden Treppe des Foyers drängten. Sie konnte Phillip nirgends entdecken, dem Himmel sei Dank. Vielleicht war er noch nicht eingetroffen. Oder vielleicht würde er gar nicht kommen.
    Aber Gwendolyn Starcasset war da, und sie begrüßte Victoria, als wäre sie eine längst verloren geglaubte Freundin. Vielleicht war sie das ja auch; Victoria hatte in letzter Zeit nicht daran gedacht, aber sie und Gwendolyn hatten bei früheren

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