Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Anlässen einige amüsante Gespräche geführt. »Wie schön, Sie zu sehen, Victoria!«, rief die zierliche Blondine aus. »Ich habe Sie vermisst; wir hätten weiter darüber plaudern können, wie wir am geschicktesten unter den verfügbaren Heiratskandidaten wählen. Aber natürlich haben Sie inzwischen die Partie der Saison gemacht, sodass Sie daran keinen Gedanken mehr verschwenden müssen!«
»Gewiss.« Diese zwei Silben herauszubringen war schwierig, aber Victoria schaffte es. Warum hatte Phillip die Anzeige in der Times noch nicht aufgegeben? Warum ließ er sie so qualvoll
lange darauf warten, dass die Bombe endlich platzte? Sobald dies geschah, würde sie geächtet sein. Und dann könnte sie endlich aufhören, all diese Bälle und Hauskonzerte zu besuchen, und sich stattdessen auf die Vampirjagd konzentrieren.
Denn das war ihre Bestimmung. Das war der Grund, aus dem sie Phillip aufgegeben hatte.
»Mein Bruder George war außerordentlich enttäuscht, als er hörte, dass Rockley um Ihre Hand angehalten hat. Seit dem Ball bei den Steerings ist er ganz bezaubert von Ihnen.«
»Und wie steht es mit Ihren eigenen Aussichten?«, fragte Victoria und versuchte, nicht zum Haupteingang zu sehen. Sie wollte Rockley sowieso lieber nicht begegnen. Bestimmt würde er sie schneiden und damit demütigen wollen. Ganz zu schweigen von Lady Melly.
Ach, verflixt. Warum bloß hatte sie ihrer Mutter nicht die Wahrheit gesagt?
Gwendolyn plapperte weiter und erzählte von den drei Junggesellen, die Interesse an ihr bekundet hatten, bis einer von ihnen sie zum Tanzen aufforderte. Victoria wollte sich anschließend in den Raum, der als Damensalon benutzt wurde, zurückziehen, bekam jedoch nicht die Gelegenheit dazu. Sir Everett Campington trat auf sie zu und bat sie mit einer eleganten Verbeugung, seine Partnerin bei der Quadrille zu sein.
Froh darüber, etwas anderes tun zu können, als ständig sämtliche Blicke Richtung Eingang zu vermeiden, stimmte Victoria zu und fand dann schnell Gefallen an den lebhaften Figuren der Quadrille. Sie und Sir Everett traten zusammen und wieder auseinander, dann promenierten sie zwischen einer Reihe anderer Paare hindurch. Victoria tanzte und drehte sich, sie knickste und
ließ sich herumwirbeln, und nach einer Weile merkte sie, dass sie lächelte.
Es gab während des Tanzes nur einen einzigen Moment, in dem sie sich vergaß, und zwar als Sir Everett eine besonders enthusiastische Drehung, bei der sie sich an den Ellbogen untergehakt hatten, vollführte. Victoria vergaß für einen Augenblick, dass sie wesentlich stärker war als er, und brachte ihren Tanzpartner durch die Wucht ihrer Bewegung ins Taumeln.
Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte und sie sich erneut unterhakten, dieses Mal seitlich, blickte Victoria auf und lachte vor purem Vergnügen, bevor sie mit der nächsten Drehung das Gesicht den Gästen zuwandte, die die Tanzfläche umringten. Und direkt an Phillip vorbeiwirbelte.
Victoria geriet noch nicht einmal ins Stocken. Sie wusste nicht, wie sie es schaffte, aber sie war über alle Maßen froh darüber. Sobald das Stück geendet hatte, schaute Everett sie an und fragte: »Sollen wir Rockley suchen? Ich bin sicher, er möchte den nächsten Tanz für sich beanspruchen.«
»Ach, ich würde stattdessen lieber etwas trinken«, erwiderte Victoria unbekümmert, den Blick fest von der Stelle abgewandt, an der sie Phillip gesehen hatte. »Ich bin nicht sicher, ob Rockley überhaupt schon hier ist.«
Sir Everett verneigte sich zustimmend, und falls er wusste, dass sie log, war er zu sehr Gentleman, um sie zu berichtigen. »Selbstverständlich, Miss Grantworth. Lassen Sie uns sehen, ob wir ein Glas Punsch ergattern können.«
Victoria schaffte es, sich für die nächsten dreißig Minuten sehr beschäftigt zu halten. Sie tanzte mit drei weiteren Herren, inklusive Gwendolyns Bruder, der genauso blond und hübsch war
wie seine Schwester. Sie trank mindestens sechs Gläser Punsch - zum Glück, denn all das anstrengende Tanzen an einem solch heißen Abend hatte sie durstig gemacht. Und wegen dieser sechs Gläser Punsch war sie genötigt, zweimal ein gewisses Örtchen aufzusuchen.
Doch dann konnte sie einer Konfrontation nicht länger aus dem Weg gehen.
Gerade als sie sich anschickte, mit Lord Waverly zur Tanzfläche zu schreiten, ertönte hinter ihr eine ruhige Stimme, und Victoria erstarrte.
»Waverly, ich glaube, dieser Tanz gehört mir.«
Sie drehte sich um, versuchte zu
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