Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
konnten, ohne dazu ihre Fangzähne zu benutzen - sie taten es nur mit den Augen.
Lilith ging in der Tat kein Risiko ein.
Reglos sahen sie zu, wie die Imperialvampire sich dem Redfield Manor näherten. Victoria und Max hatten das Glück, dass sie gegen die Windrichtung zu den Vampiren standen und eine leichte Brise wehte. Dadurch würden die drei sie möglicherweise nicht wittern können. Mit vor Kälte brennendem Nacken beobachtete Victoria sie. Sie waren noch ein ganzes Stück entfernt, aber trotzdem spürte sie ihre Energie, ihren Hass, ihre Bösartigkeit. Sie unterdrückte ein Schaudern.
Zum ersten Mal war sie wirklich froh, Max an ihrer Seite zu haben.
Das Buch des Antwartha war noch immer im Haus und musste von einem der Untoten herausgebracht werden, da Sebastian es nicht würde mitnehmen können.
Aber warum war er dann hier?
Lilith wusste, dass Max und sie alles tun würden, um zu verhindern, dass sie das Buch in die Finger bekam. Vielleicht würden sie heute Nacht noch mehr Überraschungen erleben. Victoria beschlich
das ungute Gefühl, dass, obwohl sie vorbereitet waren, die Vampirkönigin ihnen einen Schritt voraus sein könnte.
Wenn sie sich an Tante Eustacia oder Max gewandt und ihnen gesagt hätte, was sie wusste, wären sie in der Lage gewesen, ihre Strategie besser zu planen. Immerhin verfügte Max über einige Erfahrung mit Imperialvampiren. Aber Victoria hatte sich genau wie Max für den Alleingang entschieden, und jetzt waren sie Liliths Entschlossenheit ausgeliefert.
Wie bekämpfte man einen Imperialen? Ihr Herz schien in ihrem ganzen Körper zu schlagen. Bestimmt konnten die Vampire es hören!
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, blieb einer von ihnen an der Treppe, die zur Eingangstür führte, stehen, drehte sich zu ihnen um und schnupperte in der Luft. Victoria hielt den Atem an; sie spürte, wie Max sich in ihrem Rücken anspannte.
Dann wandte der Vampir sich wieder seinen Gefährten zu, und sie trennten sich. Zwei gingen die Stufen hoch, während der dritte, der in ihre Richtung sah, am Fuß der Treppe stehen blieb.
Die Tür zum Redfield Manor wurde geöffnet, und die beiden Vampire traten ein. Der andere blieb allein zurück.
Sie hätte fast einen Satz gemacht, als Max’ Finger sich um ihren Arm schlossen und er flüsterte: »Ich zuerst. Sie warten kurz, dann kommen Sie nach.« Ohne auf eine Antwort zu warten, trat er aus dem Schatten des Baumes und ging herausfordernd auf den Imperialen zu.
Er hatte kein Schwert, keine Waffe außer den Eschenholzpflöcken und einem langen, relativ dünnen Ast mit einem schartigen Ende.
Victoria beobachtete, wie der Vampir sich zu Max umdrehte, der über den inzwischen feucht gewordenen Rasen auf ihn zusteuerte. Die glühenden Augen zu schmalen Schlitzen verengt, erwartete er ihn. Selbst im schwachen Mondschein und aus der Entfernung konnte Victoria sein siegessicheres Grinsen und die gelassene Haltung erkennen, die verkündeten, dass er bereit war für die Schlacht.
Als Max sich ihm bis auf vier Armlängen genähert hatte, hob der Vampir das Schwert. Ja, er besaß eine brutale Kraft, die sich mit Max’ messen konnte, aber wenn es darum ging, einen Venator zu besiegen, der einen todbringenden Holzpflock bei sich trug, ging Lilith kein Risiko ein. Sie bewaffnete ihre Vampire mit Schwertern. Auf diese Weise waren die beiden einander ebenbürtig. Holz gegen Metall. Geheiligte Kampfkraft gegen übermenschliche Stärke.
Victoria begriff, was Max vorhatte, und obwohl ihr Herz zu rasen begann, als sie die beiden großen, muskulösen Gestalten einander gegenüberstehen sah, wartete sie ab. Der Imperialvampir musste sie gewittert haben; es war offensichtlich, dass Max, indem er sich seinem Gegner zeigte, darauf hoffte, dass Victoria unentdeckt bleiben würde.
Metall blitzte auf, und Victoria sah, dass sie kämpften. Um Leben und Tod. Oder Untod.
Sie hatte sich geirrt. Sie waren einander nicht ebenbürtig.
Max war im Nachteil. Ihre Handflächen begannen zu schwitzen. Während seine Waffe nur dann töten würde, wenn ihm ein sauberer Stoß in die Brust gelänge, war das Schwert des Vampirs immer tödlich.
Und wenn er Max eine blutende Wunde beibrächte, würde
ihr Geruch die anderen Imperial- und Wächtervampire aus dem Haus anlocken - und alle, die in den Straßen lauerten.
Sie bewegten sich, als hätten sie es einstudiert. Manchmal schienen sie fast durch die Luft zu gleiten, während beide mit ihren tödlichen Waffen abblockten und
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