Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Nasenflügel des einen bebten, als würde er die Luft auf irgendeinen Geruch hin überprüfen.
Gerade als sich einer der beiden dem buschigen, schulterhohen Buchsbaum zuwandte, der ihnen als Deckung diente, sprang Max dahinter hervor, schwang das Schwert und köpfte den Vampir mit einem gezielten Hieb.
Als der dritte und letzte Imperiale mit seiner eigenen, silbern schimmernden Klinge in der Hand zu ihnen herumwirbelte, spähte ein weiterer Gegner durch die Türöffnung. Victoria sah ihn, brach aus dem Gebüsch hervor und jagte die Stufen hinauf, bevor er die Tür wieder zuschlagen konnte.
Er kam ihr über die Eingangsveranda entgegen, und sie stellte fest, dass auch er das Buch nicht bei sich hatte. Aber das spielte im Moment keine Rolle, denn nun musste sie ihn bekämpfen, bis er tot war. Oder sie.
Während ihres eigenen Duells mit dem Wächtervampir nahm sie unter sich wie von fern das erbitterte Klirren von Schwertern wahr, das von Max’ Kampf gegen den Imperialvampir zeugte. Ein Schrei ertönte, und sie sah unwillkürlich zur Seite. Im nächsten Moment hatte ihr Gegner sie um die Taille gepackt. Er hob sie hoch und warf sie, sodass sie halb flog und halb stolperte, die Treppe hinunter, wo sie neben Max und dem anderen Vampir als keuchendes Bündel auf dem Boden landete.
Während sie sich auf die Füße rappelte, hörte sie, wie Max ihren Namen rief; dieses Mal war er klar zu verstehen, und sie hob rechtzeitig den Blick, um zu sehen, dass er hinter sie zeigte;
dann konzentrierte er sich wieder auf seine tödliche Auseinandersetzung.
Victoria drehte sich um und entdeckte die Gestalt eines Mannes, der sich mit einem großen, unhandlichen Gegenstand unter dem Arm aus einem geöffneten Fenster fallen ließ. Aber noch bevor sie einen einzigen Schritt in seine Richtung machen konnte, wurde sie von hinten niedergeschlagen und fiel mit dem Gesicht voran ins Gras.
Tastende Hände, kälter als das Frösteln in ihrem Nacken, wanden sich in ihr Haar und zogen es von ihrem Hals weg. Sie ließ die Hand nach hinten schnellen und stach auf den Angreifer ein.
Anstatt jedoch sein Herz zu treffen, durchbohrte die Spitze ihres Pflocks sein Auge wie eine pralle Weintraube. Er schrie auf, und sie schlüpfte unter ihm hervor und stand auf.
Nur ein einziger kurzer Blick zu dem noch immer kämpfenden Max, und sie fing an zu rennen.
Victoria rannte schneller, als sie je geglaubt hätte, dass ein Mensch rennen konnte; die vis bulla unterstützte sie wohl dabei. Oder vielleicht war es göttliche Hilfe.
Was auch immer es sein mochte, es gelang ihr, die Verfolgung des flüchtenden Vampirs aufzunehmen. Er hatte keinen allzu weiten Vorsprung. An der Ecke einer Stallung bog er scharf ab, und sie folgte ihm entlang eines finsteren, schmalen Gartenwegs, den derart dichte Büsche und Sträucher säumten, dass auch noch das spärliche Licht erstickt wurde, das die Mondsichel spendete.
Weder war ihre Nachtsicht so ausgeprägt wie die von Vampiren, noch verfügte sie über deren Geruchssinn. Trotzdem
bahnte sie sich blindlings ihren Weg den Pfad hinunter. Sie konnte nicht aufgeben - wenn sie ihn verlor, würde sie auch das Buch verlieren. Es wäre dann in Liliths Händen.
Das durfte nicht geschehen.
Als sie das Ende der Stallungen erreichte, musste Victoria notgedrungen stehen bleiben. In welche Richtung war er gelaufen? Er war nirgends zu sehen. Dann nahm die allgegenwärtige Kälte in ihrem Nacken zu, und sie konnte ihn hinter sich spüren. Er kauerte im Gebüsch und wartete, bis sie an ihm vorüber wäre.
Sein Fehler.
Sie drehte sich um und ging langsam zurück. Er würde es nicht schaffen, gänzlich durch das Unterholz zu flüchten. Es war zu dicht, und auf einer Seite verlief eine Gartenmauer. Sie war dankbar, dass er nur ein Wächter war und kein Imperialvampir, von denen manche ihre Gestalt verwandeln konnten. Wächter waren harte, unglaublich starke Gegner, aber trotzdem ließen sie sich leichter besiegen als Imperialvampire.
Dort war er.
Sie zwängte sich in das Gestrüpp und ertastete etwas Festes. Aber es war nicht sein Brustkorb - denn er griff plötzlich an, sodass sie auf den Kiesweg stürzten, wo sie in einem wilden Handgemenge miteinander rangen. Seine Finger lagen um ihren Hals; er würde seine Zeit nicht damit verschwenden, sie zu beißen, dachte sie, als sie zudrückten.
Sie bekam kaum mehr Luft, und die Ränder ihres ohnehin schon dunklen Blickfelds wurden schwarz. Sie griff nach dem Pflock. Nur ein einziger
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