Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Bösartigkeit schien die Luft zu verpesten, deshalb schob sie ihn schnell in die Tasche des langen Mantels, den sie über ihrem geschlitzten Rock trug. Er war viel zu maskulin, als dass er vor Lady Mellys Augen Gnade gefunden hätte, aber dank ihres Kleides könnte Victoria, wenn sie ein wenig vorsichtig war, ihr vielleicht doch vortäuschen, angemessen gekleidet zu sein.
Doch natürlich wäre es das Beste, sich von ihrer Mutter gar nicht erst in ihrem seltsamen Aufzug erwischen zu lassen, und das war auch genau das, was Victoria beabsichtigte. Falls alles nach Plan lief, würde sie nicht vor dem frühen Morgen heimkehren, und die Damen schliefen dann sicherlich.
Das schmale Lederband mit seinem Obsidiananhänger verstaute Victoria in der Brusttasche ihres Mantels. Sie wollte nicht riskieren, dass die beiden Fragmente erneut egeneinanderrieben; gleichzeitig wollte sie es auch nicht in einer Tasche mit ihren Waffen aufbewahren, denn das Band könnte nur allzu leicht verloren gehen, wenn sie zum Beispiel schnell ihren Pflock ziehen musste.
Sie zog die Tür hinter sich zu und verließ die Asservatenkammer, doch anstatt in den Brunnensaal zurückzukehren und von dort aus über die Santo Quirinus das Konsilium zu verlassen, wandte Victoria sich nach rechts, um durch den anderen Geheimgang ein paar Häuserblocks von der kleinen Kirche entfernt ins Freie zu gelangen.
Der späte Nachmittaghimmel war düster und grau verhangen, die Sonne wurde von schweren Wolken verdeckt, und ein kalter Regen nieselte herab. Der große Splitter in Victorias
Manteltasche schlug schwer gegen ihren Oberschenkel, als sie vorbei an den wenigen Reisenden und Händlern, die sich an einem solch nasskalten Tag nach draußen gewagt hatten, durch die Straßen eilte.
Victoria trug außerdem eine Pistole und zwei Pflöcke bei sich, von denen sie einen so hastig und nachlässig in ihr Haar geschoben hatte, dass Verbena das Herz stehen geblieben wäre, hätte sie es gesehen, während der andere in einer schmalen Schlaufe an der Taille ihres Rocks steckte. Am Oberteil ihres hochgeschlossenen Ausgehkleides trug sie ihr liebstes Silberkruzifix, außerdem hatte sie zusätzlich noch drei Weihwasserphiolen an verschiedenen Stellen ihrer Kleidung versteckt.
Unter welcher sie ihr Spezialkorsett trug.
Victoria fühlte sich selbstsicher und gut gerüstet für alles, was ihr möglicherweise begegnen würde, während sie sich vom Borgo aus ihren Weg über den Tiber zum Esquilino bahnte, wo die Villa Palombara stand. Sie hätte Oliver instruieren können, sie abzuholen und mit dem Landauer hinzubringen, aber dann hätte ihn möglicherweise jemand vor der Kirche warten sehen und Fragen gestellt; im Übrigen war dies eine Aufgabe, die Victoria allein erledigen wollte.
Sie hatte die gefährlichen Splitter ins Konsilium gebracht, und sie würde diese Gefahr nun bannen, indem sie die Obsidianfragmente an einem anderen, sicheren Ort versteckte. Mit schnellen Schritten bewegte sie sich durch die Straßen, vorbei an Geschäften, die wegen des wetterbedingten Mangels an Kundschaft geschlossen wurden. Dabei hielt sie sich von den Kutschen fern, die durch schmutzige Pfützen über das Kopfsteinpflaster rumpelten, während sie die reicheren Einwohner
Roms beförderten, und wartete auf die unverkennbare Kälte in ihrem Nacken. Oder auf ein Prickeln auf ihrer Haut, das ihr signalisierte, dass jemand - oder etwas - ihr folgte. Es dämmerte zwar noch nicht, aber die Sonne war von Wolken verdeckt, und manche Vampire konnten sich an bewölkten Tagen wie diesem auch vor Einbruch der Nacht im Freien bewegen.
Doch sie witterte nichts, was ihre Instinkte in Alarmbereitschaft versetzt hätte. Mit gesenktem Kopf und wachsamen Augen sah sie sich nach allen Seiten um, während sie weiterlief. Ihre Finger waren eisig; dasselbe galt für ihre Ohren, denn ihr Mantelkragen war nicht hoch genug, um sie zu bedecken, und auch ihr nachlässig aufgestecktes Haar bot keinen Schutz vor der Kälte. Victoria zog es vor, keine Handschuhe zu tragen, wenn ein Kampf drohte, denn sie machten ihre Hände zu rutschig, als dass sie ihre Pflöcke sicher hätte halten können.
Sie hatte keine Ahnung, wie schnell oder mühelos Akvan den Splitter würde ausfindig machen können, aber angesichts der Zügigkeit, mit der das Konsilium attackiert worden war, nachdem der Splitter den Anhänger berührt hatte, sollte sie besser keine Zeit verlieren.
Wenn die Möglichkeit bestanden hätte, bis zur Abenddämmerung
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