Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
verziehen hatte, dass er Auslöser der schrecklichen Geschehnisse gewesen war, die zu diesem entsetzlichen Ende geführt hatten.
Victoria wusste nicht, ob sie ihm tatsächlich vergeben hatte. Sie versuchte, nicht an jene Nacht und Max’ Rolle bei der Hinrichtung ihrer Tante zu denken, sondern stattdessen an die Risiken, die er eingegangen war und die Gefahren, denen er sich ausgesetzt hatte. An die Tatsache, dass die Chancen minimal gewesen waren, Akvans Obelisken zu zerstören. Er hatte alles auf eine Karte setzen müssen, um es zu vollbringen. Und er war erfolgreich gewesen.
Aber sie konnte ihm trotzdem nicht antworten.
Als sie weiterhin schwieg, fragte er: »Du hast Eustacias vis bulla ? Woher?«
»Sebastian hat sie mir geschickt. Ich weiß allerdings nicht, wie er in ihren Besitz gelangt ist.«
Max zog sich ein Stück zurück, dann starrte er an ihr vorbei zu der Ruine des Amphitheaters. »Überaus clever. Ich bin überzeugt, dass du ihm auf angemessene Weise gedankt hast, so wie er sich das zweifellos erhofft hatte.«
Victoria entging die tiefere Bedeutung seiner Worte nicht, so wie Max sich das zweifellos erhofft hatte. Aber sie verkniff sich eine Antwort darauf. Jetzt, da er zurück war, hatten sie wichtigere Dinge zu besprechen. »Max«, begann sie. »Hast du schon mit Wayren gesprochen? Weißt du über die Porta Alchemica Bescheid?«
»Nein. Ich habe nicht mehr mit ihr gesprochen seit … seit der Nacht, in der der Obelisk zerstört wurde.« Neugierig sah er sie an. »Was ist geschehen?«
Während sie nun weiter auf das Kolosseum zuging, erzählte sie ihm von der Tür und den verschollenen Schlüsseln.
»Eustacias Armband mit dem Schlüssel ist also verschwunden.
« Es war weniger eine Frage als vielmehr eine nachdenkliche Feststellung. »Deshalb bist du nun auf der Suche nach dem unzuverlässigen Sebastian, weil du hoffst, dass er etwas darüber weiß. Denn immerhin war es ihm ja auch gelungen, ihre vis bulla an sich zu bringen.«
»Du warst da, als ich mit Beauregard gesprochen habe, nicht wahr?«, fragte Victoria, während sie weiter das Kopfsteinpflaster überquerte, welches das riesige Amphitheater umrahmte. Die Ruine ragte hoch über ihnen empor, während die ellipsenförmige Außenmauer in einer gezackten Diagonale dem Boden zustrebte.
»Gesprochen?« Er wirkte nicht überrascht, und plötzlich begriff Victoria auch, warum. Er war dort gewesen. Er hatte mit angesehen, wie Beauregard versucht hatte, sie zu beißen. Wie sie sich geküsst hatten.
»Ich wusste, dass wir beobachtet wurden. Also kannst du dir die Mühe sparen, dich danach zu erkundigen, was er gesagt hat.«
»Ich habe es dir doch erklärt, Victoria. Ich wusste anfangs nicht, ob du eine vis bulla trägst.« Als sie nun für einen Moment stehen blieb, schloss er zu ihr auf. »Aber was ist mit dir?«, fragte sie. »Du hast deine nicht mehr.«
Er sah sie unverwandt an. »Mach dir deswegen keine Gedanken.«
Victoria begann nun, zügig weiterzulaufen, doch dank seiner langen Beine hielt Max mühelos mit ihr Schritt. »Du suchst nach Sebastian, damit er dir hilft, aber da ist noch etwas anderes im Gange. Irgendjemand - möglicherweise Sarafina, falls du sie in der Dunkelheit nicht verwechselt hast - hat dir eine Falle
gestellt. Du wurdest auf diesen Friedhof gelockt und hättest, da sie in der Überzahl waren, leicht getötet werden können.«
»Ich bin keine Närrin, Max. Es war offensichtlich, dass sie mich lebend wollten. Vermutlich denken sie, ich weiß, wo der Schlüssel ist. Niemand hat auch nur versucht, mich zu verletzen, und selbst der einzelne Vampir, der als Köder diente, ist einfach weggelaufen. Wäre es sonst nicht bequemer gewesen, mich gleich dort zu ermorden - oder es zumindest zu versuchen?«
»Verspürst du etwa schon jetzt Todessehnsucht, Victoria?«
Inzwischen hatten sie die Mauer des Kolosseums erreicht. Ihre drei übereinander angeordneten Arkadenreihen, die die Arena umringten, starrten wie Dutzende schwarzer Augen auf sie herab. Trotz der Dunkelheit bemerkte Victoria, dass die Mauern oben und an den Seiten mit Moos sowie hohen Pflanzen und Gräsern bewachsen waren. Sie verliehen dem Amphitheater ein verwildertes, buschiges Aussehen.
»Du bist derjenige, der sich nach dem Tod sehnt. Auf mich wartet hier noch zu viel Arbeit.« Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Er war nicht gerade dankbar dafür gewesen, dass sie ihm in der Nacht von Eustacias Tod das Leben gerettet hatte; seiner Meinung nach wäre es
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