Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
und Zavier nicht versehentlich zu erstechen, als er zwischen mich und einen Vampir geraten ist«, fauchte Victoria. Max fing schon wieder an, sie wütend zu machen; gleichzeitig fragte sie sich, warum er es nicht endlich bleiben ließ.
»Zavier stand zwischen deinem Pflock und einem Vampir? Hat er für seine Mühe anschließend deine spitze Zunge zu spüren bekommen? Zumindest brauchst du dir keine Sorgen zu machen, dass du je mit Vioget in eine solche Situation gerätst.« Dann schien er sich wieder zu entspannen. »Ist ja auch egal. Ich bin sicher, du hast Zavier inzwischen entsprechende Anweisungen gegeben, wie er sich zu benehmen hat, wenn er dich auf die Jagd begleitet. Aber nun zurück zum Kernpunkt, der da lautet: Hast du Sara letzte Nacht tatsächlich gesehen? Ist sie inzwischen eine Untote?«
Die Frage verblüffte sie im ersten Moment, doch dann überlegte sie, warum eigentlich. Schließlich fand Sara offensichtlich Gefallen daran, mit Vampiren zu verkehren, außerdem war ihr Vater der Anführer der Tutela in Rom gewesen, bevor er kurz vor der Zerstörung von Akvans Obelisken in einen Vampir verwandelt worden war. »Ich glaube nicht. Hattest du damit gerechnet? Andererseits würde es bestimmt für eine recht interessante Situation im Ehebett sorgen, wenn sie es wäre.«
Max sah sie finster an, dann öffnete er den Mund, als wollte
er etwas ähnlich Sarkastisches erwidern.Victoria krümmte sich innerlich, denn sie wusste, dass er nach ihrer Provokation jedes Recht dazu hatte. Doch stattdessen sagte er: »Es ist unverkennbar, dass du eine vis bulla trägst.«
Victoria lief rot an, und obwohl sie sicher war, dass er es in der Dunkelheit nicht bemerken würde, wandte sie das Gesicht ab. Ihr wurde plötzlich überdeutlich bewusst, dass seine vis bulla , die einst an einer so intimen Körperstelle wie seiner Brustwarze gehangen hatte, nun eins war mit ihrem Fleisch. Und sie hätte schwören können, dass sich das winzige Silberkreuz plötzlich wärmer und schwerer anfühlte, dass es in ihrer Nabelgrube erzitterte.
Konnte er spüren, dass sie es trug? Nachdem es doch seines war?
»Ja. Ich habe Eustacias.«
Bei der beiläufigen Erwähnung des Namens ihrer Großtante schien sich ein Leichentuch über die beiden zu breiten, dabei war die Situation ohnehin schon unbehaglich genug gewesen. Max wandte sich dem schartigen Kolosseum zu, das sich nur ein kurzes Stück zu ihrer Rechten befand, und sie sah, wie sich seine Schultern hoben, als er tief Luft holte.
»Und Kritanu? Wie geht es ihm?«, fragte er schließlich mit verändertem Tonfall. »Was ist mit den anderen?«
In seinen Fragen schwangen noch so viele weitere mit, und Victoria hätte sie gern alle beantwortet, doch dann stellte sie fest, dass sie auf keine von ihnen eine vollständige Antwort wusste. »Kritanu gibt sich so philosophisch und duldsam, wie nur er das kann«, entgegnete sie, sich für die leichteste Frage entscheidend. »Er trauert natürlich, genau wie ich -«
»Und ich.« Max’ Stimme klang herausfordernd, so als wollte er sie dazu provozieren, an seiner Behauptung zu zweifeln.
»Und wie alle anderen. Aber sie hat ein langes Leben gehabt, und ein gefährliches noch dazu. Mehr als sechzig Jahre davon hat sie den Venatoren gewidmet. Wir vermissen sie - jeder von uns -, aber das gehört nun der Vergangenheit an, Max.«
»Tut es das?« Er sah sie nun ganz an, noch immer herausfordernd. Und das aus gutem Grund.
Inzwischen verstand sie, dass er gezwungen gewesen war, Eustacia zu töten. Dennoch blieb die Tatsache bestehen, dass er es wirklich getan hatte.Vor ihren Augen. Es gab keine Möglichkeit, diese Erinnerung zu beschönigen.
Wieder wandte sie hastig den Blick ab. Victoria war kein Angsthase, keine zaghafte Frau, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht weckte in ihr das Bedürfnis, ihn wegen seiner Gefühlskälte zu beschimpfen und ihn gleichzeitig in die Arme zu nehmen, um zu besänftigen, was auch immer ihn so hart gemacht hatte.
Wie seltsam, einen solchen Zwiespalt ausgerechnet Max gegenüber zu empfinden.
Früher hatte sie ihn beschuldigt, herzlos, gefühlskalt und eifersüchtig auf die Liebe zu sein, die sie bei Phillip gefunden hatte. Es barg eine gewisse Ironie, dass nun sie diejenige war, die sich kalt und leer fühlte, während er zaghaft, verletzlich wirkte.
Aber nein, es waren nur die Trauer um Eustacia und seine Schuld an ihrem Tod, die ihn weniger schroff erscheinen lie ßen. Und bestimmt fragte er sich, ob sie ihm
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