Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
schon seit einiger Zeit an ihr nagte.
»Hattest du wirklich vor, Sarafina Regalado zu heiraten?« Dabei dachte sie an die Monate zurück, in denen er vorgegeben hatte, der Tutela anzugehören und der jungen Frau den Hof zu machen, und auch an jenen Abend, als sie ihn entdeckt hatte, wie er gerade mit wirrem Haar und gelockerter Krawatte von einem offensichtlichen Schäferstündchen mit seiner Verlobten zurückgekehrt war.
Max wandte den Blick nun von der Arena ab und richtete ihn zum Himmel. Victoria war sich nicht ganz sicher, aber es kam ihr so vor, als ob er die Augen schloss, während sein Mund zu einer verbitterten Linie wurde. Er nickte knapp. »Wenn es nötig geworden wäre, hätte ich es getan.«
Sie war nicht überrascht. Im Kampf gegen Lilith und ihre Vampire würde Max stets tun, was nötig war, ganz gleich, wie groß die Opfer oder die Schmerzen auch sein mochten. Würde sie selbst je so kaltblütig handeln können?
Sie nickte, und wieder rieselte Erde auf ihre Schultern.
»Die richtige Entscheidung ist nicht immer einfach oder offensichtlich.
Du wirst feststellen, dass auch du im Laufe deines Lebens immer mehr solcher Entscheidungen treffen musst.«
»Das weiß ich.«
Max holte tief Luft, dann ließ er sie in dieser stillen, finsteren Nacht langsam wieder entweichen. »Auch ich vermisse sie, Victoria.«
»Das weiß ich«, wiederholte sie, sobald ihr klar geworden war, dass er von Eustacia sprach.
Wieder schwiegen sie für eine Weile. Als Victoria dann plötzlich einen schwachen Lichtschimmer im Osten entdeckte, begriff sie, dass die Dämmerung näher rückte.
Wie seltsam, eine ganze Nacht in Max’ Gesellschaft verbracht zu haben, ohne ein einziges Mal ihren Pflock zu benutzen. Und es hatte nur ganz wenige bissige Wortwechsel gegeben. Steifbeinig begann sie, sich auf die Füße zu stemmen, als Max auch schon die Hand ausstreckte, um ihr aufzuhelfen.
Er schloss seine kraftvollen Finger und seine warme, breite Handfläche um ihre kleineren Hände und zog sie hoch, bevor er sie anschließend sofort wieder losließ und wortlos das Vormitorium ansteuerte.
Plötzlich wurde ihr etwas klar, das sie bis dahin völlig übersehen hatte: Er musste eine vis bulla tragen.
»Max.« Ihr Tonfall veranlasste ihn dazu, vor ihr in dem dunklen Gang stehen zu bleiben.Victoria musterte ihn eindringlich. »Woher hast du eine vis bulla ?«
»Das ist nicht wichtig. Die Sonne geht gerade auf, und für mich wird es jetzt Zeit, ins Bett zu gehen. Gute Nacht, Victoria.« Er drehte sich wieder um, dann ging er mit langen, selbstsicheren Schritten davon.
»Max.« Er sah sich noch einmal zu ihr um. »Bedeutet das, dass du zurück bist?«
Er ließ die Arme auf für ihn ganz untypisch kraftlose Art und Weise herabhängen. »Ich weiß es nicht.«
Kapitel 7
In welchem ein kleiner, roter Tiegel zum Gesprächsthema wird
D u warst bei Lilith? Ganz allein?«
Max schaute Wayren an, die sich kerzengerade in ihrem Sessel aufgerichtet hatte. Da er nicht sicher war, wie die anderen Venatoren nach Eustacias Tod auf ihn reagieren würden, hatte er Wayren nicht im Konsilium treffen wollen, sondern sie stattdessen in das kleine Zimmer eingeladen, in dem er zur Miete wohnte.
»Das sagte ich doch gerade. Ich hatte nichts zu verlieren, Wayren.«
»Ich weiß, Max. Ich weiß, wie sehr du dir wünschst, sie los zu sein. Aber dafür ein solches Risiko einzugehen!«
»Es ist ja nicht so, als ob ich in der Vergangenheit noch nie mit ihr allein gewesen wäre.« Er wusste, dass seine Worte übermäßig barsch klangen, aber - zur Hölle. Seine Erinnerungen waren schließlich auch nicht gerade angenehm. Schlimm genug, dass er sie Wayren überhaupt ins Gedächtnis rufen musste.
All ihrer Gelassenheit und Weisheit zum Trotz war sie gelegentlich ein wenig geistesabwesend. Als Wayren jetzt bewusst wurde, was sie eben gesagt hatte, wurden ihre klugen Augen hinter der rechteckigen Brille warm und verständnisvoll. »Natürlich. Du musst mir verzeihen.«
»Sie gab mir eine Salbe, von der sie behauptet, dass sie mich von ihrem Bann erlösen würde. Allerdings um einen sehr hohen Preis.« Er holte den kleinen Smaragdtiegel aus seiner Manteltasche und stellte ihn zwischen ihnen auf den Tisch. Obwohl es ihn in den Fingern juckte, ihn zu öffnen, hatte er es bisher nicht getan. Er hatte das funkelnde Gefäß, das aus einem einzelnen, walnussgroßen Edelstein gefertigt war, während der letzten Monate stets bei sich getragen, es jedoch nie geöffnet.
Es
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