Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
wirkte die Untote abgelenkt und ein wenig gehetzt, fast so, als hätte sie es eilig, zu Akvan zurückzukehren.
Aber Victoria hatte andere Pläne. Sie bewegte sich so langsam wie möglich und übertrieb dabei ihr Hinken, um Zeit zu gewinnen und die kleine Phiole, die Max ihr gegeben hatte, zu entkorken.
Sie wusste zwar nicht, was für eine Flüssigkeit darin war, aber mit Sicherheit würde sie den Feind damit überraschen können. Max hätte sie ihr nicht gegeben, wenn sie nicht nützlich
wäre, und ganz bestimmt erwartete er nicht, dass sie davon trank.
Als sich der winzige Korken löste, drehte Victoria behutsam die Handgelenke, um die Vampire nicht auf ihre Akrobatik aufmerksam zu machen. Doch die Frau war damit beschäftigt, dem Untoten links von Victoria mit verärgerter Stimme irgendetwas Unverständliches zuzuraunen, und der Dritte im Bunde schien vollkommen darauf konzentriert zu sein, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während sie weiter dem grauen Steinkorridor folgten. Offensichtlich handelte es sich bei dem weiblichen Vampir um die Anführerin, und ihre Gefährten waren nichts weiter als hohlköpfige, überdimensional große Wachmänner.
Zum Glück für Victoria waren Pflöcke bei Vampiren unabhängig von ihrer Größe und Gestalt immer wirksam, und zum Pech für die Untoten hatte sie ein solches Ass buchstäblich im Ärmel.
Sie hob nun unmerklich einen Arm, sodass die Stricke, die fest um ihre Handgelenke geschlungen wirkten, solange sie sie überkreuzt hielt, sich weit genug lockerten, dass sie die Hände herausziehen konnte.
Sie hatten vielleicht ein Dutzend Schritte zurückgelegt und waren noch immer in Sichtweite der Gefängnistür, als Victoria zum Angriff überging.
Mit der Phiole in der einen Hand und dem Pflock, den sie inzwischen aus seiner Schlaufe gezogen hatte, in der anderen, schüttete sie den Inhalt der Ampulle auf die beiden Vampire zu ihrer Linken. Ihre Fesseln glitten zu Boden. Die Untoten kreischten auf, und Victoria wirbelte mit hoch erhobenem
Pflock herum, um ihn dem Vampir rechts von ihr ins Herz zu stoßen. Er zerfiel zu Staub, noch bevor er wusste, wie ihm geschah, und Victoria drehte sich ebenso blitzschnell wieder um, um den beiden anderen den Rest zu geben.
Was auch immer in der Phiole gewesen war, musste nicht nur den Vampir gleich neben ihr voll getroffen haben, sondern auch die Frau, denn beide brüllten noch immer vor Überraschung und Schmerz.
Der Untote torkelte nach hinten und rieb sich dabei wie rasend über Gesicht und Augen, doch Victoria packte ihn am Hemd und schubste ihn gegen die Frau, als diese gerade die Pistole auf sie richtete.
Der Schuss donnerte überlaut durch den Korridor. Der Vampir, den sie noch immer am Hemd festhielt, zuckte zusammen, als die Kugel seinen Körper durchschlug, dann breitete sich ein brennender Schmerz über Victorias Seite aus. Während sie zurücktaumelte, beobachtete sie, wie die Frau unter dem Gewicht ihres schmerzgepeinigten Gefährten zu Boden ging.
Den Pflock mit aller Kraft umklammernd, stieß Victoria sich von der Wand des engen Flurs ab, dann riss sie den Vampir von der Anführerin herunter und schleuderte ihn vorerst beiseite.
Die Pistole hatte ihre Arbeit verrichtet, doch jetzt war sie, selbst als die Frau versuchte, sie ihr an den Kopf zu werfen, keine Bedrohung mehr.Victoria duckte sich einfach weg, dann stürzte sie sich trotz des qualvollen Stechens an ihrer Hüfte und der Behinderung durch ihre verhedderten Röcke wieder auf die Untote.
Strähniges Haar klebte ihnen beiden im Gesicht, als sie auf dem Boden miteinander rangen. Victoria fühlte, wie Blut ihr
Kleid durchtränkte, dann den rasenden Schmerz, als ihre Gegnerin einen Schlag auf ihrer Wunde landete.
Sie unterdrückte einen gequälten Aufschrei und packte die Untote bei den Schultern. Dann schmetterte sie deren Kopf gegen die Wand hinter ihnen, sodass der Vampir, die roten Augen wie wild verdreht, das Bewusstsein verlor. Victorias Blick fiel wieder auf das Lederband mit dem Obsidian-Splitter. Sie schlang die Finger darum und riss es ihr mit einem kräftigen Ruck vom Hals.
Die Vampirfrau kam keuchend wieder zu sich, doch Victoria ließ ihr nicht die Zeit, sich zu erholen. Sie stieß den Pflock nach unten in das schmutzig-weiße Hemd und spürte mit enormer Befriedigung, wie sich das Eschenholz so mühelos, als würde es in ein Ei gestochen, durch Fleisch und Knochen grub: Ein leichter Widerstand, als es die äußerste Hülle durchdrang, dann
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