Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
Gefängnis.
Seltsam. Aber vielleicht hatte er ja zwei solcher Fläschchen gehabt: eines mit Weihwasser, welches er ihr gegeben hatte, und dann noch dieses andere. Sie würde das Geheimnis später lüften. Genau wie das der neuen Bissspuren an seinem Hals.
Allerdings glaubte sie, bereits zu wissen, von wem sie stammten, und der Gedanke ließ sie erschaudern.
Zu ihrer Erleichterung schlug Max nicht denselben Weg ein, den die Vampire gewählt hatten, sondern wandte sich in die andere Richtung und lief dann mit überraschend schnellen Schritten den Gang hinunter. Trotz seiner Verletzungen bewegte er sich noch immer mit der Anmut des Jägers, der er war.
Mit einem ungeduldigen Winken bedeutete er Sebastian, die Tür hinter sich zu schließen, doch wartete er nicht ab, bis dieser sie wieder verriegelt hatte.
Offenbar verfügte Max tatsächlich über den Orientierungssinn eines Vogels, denn er dirigierte sie zielsicher den Korridor hinunter und dann durch eine Tür, hinter der eine Treppe nach oben führte. Als sie gerade auf die erste Stufe trat, hörte Victoria Alarmschreie aus der Richtung, aus der sie gerade gekommen waren, während sich gleichzeitig die Kälte in ihrem Nacken intensivierte. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, und
sie stieg, angeführt von Max und mit Sebastians stampfenden Schritten im Rücken, die Treppe hinauf.
Oben angekommen, bog Max nach links ab, bevor er einen weiteren Korridor hinunterhastete. Victoria bemerkte sein leises Humpeln, und fast im selben Moment spürte sie, wie ihre eigene Atmung keuchender wurde und immer mehr Blut aus der Wunde an ihrer Hüfte sickerte. Ihre Sicht wurde leicht verschwommen, und einmal wäre sie, als der Gang gerade eine scharfe Biegung machte, beinahe in die Knie gegangen, aber wenn Max mit zwei viel ernsthafteren Schussverletzungen in der Lage war, so schnell zu laufen, würde sie mit ihren beiden vis bullae doch sicherlich mit ihm mithalten können.
Nachdem sie eine weitere Ecke umrundet und noch eine Treppe erklommen hatten, gelangten sie schließlich in ein Vestibül, das ihr bekannt vorkam. Es war das vor dem Ballsaal, wo sich früher am Abend die Gäste versammelt hatten.
Sie blieb so unvermittelt stehen, dass Sebastian fast in sie hineingerannt wäre. »Wir können nicht ohne die anderen gehen.« Als sie daraufhin in ihre Rocktasche griff, verfingen sich ihre Finger in dem Lederband, dessen glatter Anhänger ihr einen kleinen Schock versetzte, bevor sie schließlich den Eschenholzpflock fand.
»Victoria, nein«, setzte der Franzose an, als Max, der sie gehört hatte, sich abrupt zu ihnen umdrehte.
Sein normalerweise gebräuntes Gesicht war aschfahl. »Sie sind alle tot. Die Vampire haben ihr Blut getrunken; hast du es denn nicht gerochen? Wir können hier niemanden retten, au ßer uns selbst. Zumindest für den Augenblick.«
»Er hat Recht, sosehr es mich auch schmerzt, dies zugeben
zu müssen«, sagte Sebastian. »Die meisten Gäste sind heil aus der Villa entkommen, aber die, denen es nicht gelungen ist … sie waren schon lange tot, noch bevor wir uns auch nur von unseren Fesseln befreien konnten.«
Victoria wollte widersprechen. Sie wollte sie anfauchen und ihnen sagen, dass sie sich irrten. Doch die jähe Woge pechschwarzen Zorns, die jetzt über sie hinwegrollte, kam so überraschend, dass ihr der Atem stockte und ihr die bitteren Worte, die sie ihnen hatte entgegenschleudern wollen, im Hals stecken blieben.
Max schaute sie seltsam an; dann griff er nach ihrem Arm und zog sie unsanft hinter sich her.
Die nächsten Sekunden durchlebte sie wie in Trance, dann hatten sie die Villa verlassen und standen draußen in der frischen Luft der Dämmerung, wo der schwache, gelbliche Schein am Himmel dem verwilderten Garten Form und Textur verlieh.
Max legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich herum, dann starrte er ihr in die Augen, so als suchte er etwas in ihnen, das fehlte. So als hätte er sie am liebsten durchgeschüttelt. Victoria sog die klare Luft tief in ihre Lungen, und der dumpfe Nebel fiel von ihr ab, und mit ihm dieser schreckliche, beängstigende Zorn. Sie blinzelte.
Max ließ sie abrupt los, wobei er etwas murmelte, das sie nicht verstehen konnte, dann wandte er sich Sebastian zu, der sie von der Seite beobachtete. »Kehren Sie zu Beauregard zurück«, befahl er ihm knapp. Dann fügte er leise und unwirsch noch etwas hinzu.
»Nein«, lautete Sebastians ruhige und ungewöhnlich kurze Antwort. Er sah Victoria
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