Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
als ihre eigene betrachten könnte, auch wenn dem so war) nur wenig, stattdessen beobachtete er sie, so als versuchte er herauszufinden, wer sie wirklich war.
Es war wirklich bedauerlich, dass er mitbekommen hatte, wie sie Sebastian geküsst hatte; besser gesagt wie Sebastian sie geküsst hatte, denn sie war bei dieser speziellen Gelegenheit eher passiv als aktiv gewesen. Aber das ließ sich nun nicht mehr ungeschehen machen. Sebastian hatte das Ganze zweifellos geplant, doch ob sein Motiv nun gewesen war, Max zu ärgern, indem er kostbare Zeit an eine solch frivole Nichtigkeit verschwendete, oder ob er seine Besitzansprüche hatte anmelden wollen, um Zavier damit eins auszuwischen, wusste sie nicht.
Doch das, was sie an der Situation am meisten beunruhigte, war die Tatsache, dass Max Recht gehabt hatte. Zavier war nicht nur verletzt und gekränkt, sondern Victoria begriff inzwischen auch, dass er auf keinen Fall der richtige Mann war, um mit ihm auf irgendeine Weise intim zu werden. Zumindest nicht für sie. Er war ein tapferer und fähiger Venator, der darüber hinaus auch zu einem guten Freund geworden war, aber trotzdem hatte ihr sein Kuss nicht das Geringste bedeutet. Unter den beiden Männern, die sie letzte Nacht geküsst hatten, war nur einer, den sie wieder küssen wollte.
Doch als sie sich jetzt von der Bettkante schob und die Füße
auf den Gobelin stellte, der bei weitem nicht so behaglich war wie ihr dicker Aubusson-Teppich zu Hause in London, realisierte sie plötzlich verärgert, dass sie zu abgelenkt gewesen war, um Sebastian nach Eustacias Armband zu fragen.
Nicht, dass es sie Überwindung gekostet hätte, Sebastian zu küssen - das hatte es nicht im Mindesten, denn der Mann besaß überaus talentierte Lippen und Hände und … nun ja, noch ein paar weitere Mittel, um ihr Vergnügen zu bereiten. Aber für diese Art von Aktivitäten gab es bestimmte Zeiten und Orte; nur leider war Sebastian ein Meister darin, solcherlei Anstandsregeln zu missachten.
Es ertönte ein kurzes Klopfen an ihrer Schlafzimmertür, dann ging sie auf, und Verbena kam herein. »Ihre Mutter und die anderen Damen sind unten«, verkündete sie. In ihrem Kielwasser folgte eine kurze Prozession von Dienern, die eine Badewanne und Eimer voll Wasser trugen, um sie zu füllen. »Sie wollen Sie sehen, Mylady, und erfahren, was letzte Nacht mit Ihnen passiert ist.«
»Mist«, schimpfte Victoria leise. Sie musste eigentlich ins Konsilium.
»Und ich würde gern wissen«, fuhr Verbena fort, nachdem sie die Tür hinter dem letzten Diener geschlossen hatte, »wie das Korsett funktioniert hat. Damit ich es Oliver sagen kann und er endlich aufhört, mir deswegen auf die Nerven zu gehen. Bloß, weil es ihm zuerst eingefallen ist, heißt das noch lange nicht, dass er die Weisheit mit goldenen Löffeln gefressen hat. Aber Ihr Kleid, Mylady … wo sind denn nur die ganzen Rosen hingekommen?«
Victoria tauchte mit einem wohligen Seufzer in das heiße
Wasser ein, während sie weiter dem tröstlichen Geplapper ihrer Zofe lauschte. Ihre Wunden brannten, doch wurde der Schmerz durch die Wonne des warmen Bades gelindert. Irgendwann würde sie Verbena sagen müssen, dass ihre Frisur sich, als die Vampire sie entwaffnet und ihr den Pflock abgenommen hatten, in Wohlgefallen aufgelöst hatte - ein Umstand, der künftig unbedingt vermieden werden musste, denn ihre langen Locken hatten sie stark behindert.
Als das Wasser schließlich lauwarm geworden war, stieg Victoria aus der Wanne und ließ sich von Verbena in ein großes Handtuch wickeln. Als sie sich anschließend umdrehte und an den Frisiertisch setzte, streckte die Zofe die Hand nach dem Sammelsurium aus, das auf ihm lag.
»Was ist das, Mylady?« Verbenas Finger schwebten über dem Lederband mit dem Obsidiansplitter.
»Fass es nicht an.« Victoria griff nach dem glänzenden, schwarzen Pendel und schloss die Hand darum, um es vor neugierigen Blicken zu schützen. Für etwas derart Kleines fühlte es sich ungewöhnlich schwer an, und sie spürte, wie schon zuvor in der Villa Palombara, plötzlich ein warmes Prickeln in den Fingern. »Kümmere dich jetzt um mein Haar, damit ich mich meinen Aufgaben zuwenden kann.«
Verbena riss überrascht die Augen auf, erwiderte klugerweise jedoch nichts. Victoria war des Geschnatters ihrer Zofe, die stets zu wissen schien, was vor sich ging, mit einem Mal überdrüssig. Konnte das Mädchen sie nicht einfach ihre Arbeit tun lassen, ohne sich dabei ständig als
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