Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
hatte. Victoria hörte, wie er einen leisen Laut der Befriedigung von sich gab, und das war auch der Moment, in dem das Frösteln in ihrem Nacken sich auf einen Schlag in Eiseskälte verwandelte.
»Sie kommen«, sagte sie und wirbelte zur Tür herum, durch die sie gekommen waren. »Zwei oder drei, glaube ich. Ich kümmere mich …«
Aber die Worte blieben ihr im Halse stecken, als Sebastian mit einem Satz neben ihr stand und jetzt ebenfalls einen Pflock in der Hand hielt.
Das war seltsam. Sehr seltsam nach den ganzen Diskussionen über die Endgültigkeit, mit der man einem Vampir den Garaus machte – und ewiger Verdammnis überantwortete –, und Sebastians Weigerung derjenige zu sein, der das Urteil an diesen Geschöpfen vollstreckte. Es war seltsam, ihn mit dem Pflock in der Hand da stehen zu sehen, bereit ihn einzusetzen, statt in die entgegengesetzte Richtung wegzulaufen.
Es war fast so, als wäre sie mit Max zusammen.
Das Kältegefühl verstärkte sich und wurde jetzt von tiefen, kehligen Stimmen begleitet, die hinter der Tür ertönten. Sebastian flüsterte: »Schnapp sie dir, ehe sie merken, dass der Stuhl bewegt worden ist.«
Dagegen hatte Victoria nicht das Geringste einzuwenden. Sie erwartete den ersten Untoten, als er durch die Tür trat, und sowohl das Überraschungsmoment als auch der Umstand, dass er gerade mit jemandem redete, der hinter ihm ging, machten es ihr leicht, ihn in ein Häufchen Asche zu verwandeln.
Seine Begleiter – eine Frau mit langen blonden Haaren und ein Mann mit glänzendem Schädel und rotem Bart – waren nicht ganz so leicht zu erledigen. Doch zumindest gelang es Victoria durch das Überraschungsmoment und ihre schnelle Entscheidung, zwischen den beiden Untoten hindurch ins andere, dunklere Zimmer zu stürzen, den Kampf außer Sichtweite des verschobenen Thrones fortzusetzen.
Als sie sich wieder zu den beiden Vampiren umdrehte, die ihr hinterhergekommen waren, sah Victoria, dass Sebastian hinter ihnen an der Tür auftauchte. Die Geschöpfe stürzten sich mit gefletschten R eißzähnen und rot schimmernden Augen, die im dunklen Raum zu glühen schienen, auf sie.
Sie ging in die Knie und rammte dem ersten mit einer fließenden Bewegung die Schulter in den Bauch, sodass er über ihren R ücken hinwegflog und mit einem dumpfen Knall auf dem Boden landete. Doch sofort streckte er die Hände aus, bekam ihren Knöchel zu fassen und brachte sie ins Straucheln, während sie der Frau den Pflock in die Brust stieß. Statt leicht ins Herz zu fahren, traf der Pflock die Schulter des Vampirs, wodurch Victorias Arm bis ins Gelenk erschüttert wurde.
Gerade als sie mühsam wieder hochkam, ertönte ein leises Puffen, und der glatzköpfige Vampir verwandelte sich in Asche. Überrascht sah sie zu Sebastian – bis zu dem Moment war sie sich nicht sicher gewesen, ob er es wirklich tun würde. Eigentlich hatte sie noch nie gesehen, dass er einen Vampir pfählte. Als er Beauregard tötete, war sie viel zu weit weg gewesen, um irgendetwas zu bemerken.
Also war nur noch die Frau übrig, und die begann langsam zurückzuweichen. Angst verzerrte ihr bleiches, eingefallenes Gesicht. Aber Victoria war zu schnell für sie. Sie war jetzt wieder auf den Beinen und stürzte hinter ihr her, um auch gleich die Verfolgung aufzunehmen, als die Untote wegzulaufen begann. Sie konnte aufholen, als das Geschöpf stehen bleiben musste, um die Steintür zu öffnen, durch die man in den kleinen Vorraum gelangte. Victoria nutzte ihren Vorteil und machte einen Satz auf sie zu.
Sie stürzten zu Boden, und die langen blonden Haare des Vampirs hüllten sie wie ein klebriges Netz ein. Sie wälzten sich über den Boden, bis Victoria oben saß und mit ihrem Pflock ausholte, aber ehe sie zustoßen konnte, packte die Untote ihr Handgelenk und riss sie daran herum, sodass sie nun oben war. Ihre R eißzähne waren überlang; sie bohrten sich in ihre volle Unterlippe, während sie mühsam versuchte, Victorias Hände auf den Boden zu drücken.
Der seltsame rote Schleier begann sich wieder vom Rande ihres Gesichtsfeldes her auszubreiten, als plötzlich ein Schatten über ihr auftauchte. Der Vampir zuckte zusammen, und dann schwand der Druck auf ihre Handgelenke. Eine Aschewolke ging auf Victoria nieder, und der staubige, modrige Geruch legte sich ihr auf Mund und Nase.
Victoria sprang auf und warf Sebastian einen Blick zu. »Du bist ja geradezu übereifrig, seit du dich endlich dazu durchgerungen hast, Vampire zu jagen«,
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