Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
dieses leicht nagende Misstrauen Sebastian gegenüber. Sie hatte sich so lange geweigert, ihm zu trauen.
Das einzige Problem war ihre ungewisse Zukunft. Victoria spürte, wie ihr ein Schauer über den R ücken lief, und der unangenehme Magendruck kehrte zurück. Sie nahm einen größeren Schluck von ihrem Sherry, als sie beabsichtigt hatte, und merkte erst da, dass Sebastian weiterredete.
»Als George Starcasset letztes Jahr in Italien war, hat er Queen Caroline nicht nur kennen gelernt, er war sogar einer ihrer Günstlinge.« Er zog eine Augenbraue hoch und bedachte Victoria mit einem selbstgefälligen Lächeln. »Es ist doch ein sehr großer Zufall, dass er und Sarafina R egalado zur gleichen Zeit wie die Königin nach England zurückgekehrt sind – nachdem sie jahrelang sozusagen verbannt gewesen war.«
Plötzlich begriff sie, was er meinte, und ihr stockte der Atem. »Und wie aufschlussreich, dass sie gerade rechtzeitig aus ihrem selbstauferlegten Exil in Italien zurückkehrt, um zu sehen, wie ihr Ehemann zum König von England gekrönt wird.« Sie sahen einander an, und Victoria packte seine Hand.
Das war es also. Das musste Liliths Plan sein: bei der Krönung des Königs einzufallen, wenn die mächtigsten Männer Englands – des mächtigsten Landes der Welt – alle zur gleichen Zeit zusammenkamen. Aber warum?
Kapitel 21
In dem unsere Heldin schwimmen geht
W enn Lady Melly es seltsam fand, dass sich Victorias Widerstand, an den Krönungsfeierlichkeiten teilzunehmen, in Luft aufgelöst hatte, so war sie doch viel zu wohlerzogen, um irgendetwas zu der Meinungsänderung zu sagen. Höchstwahrscheinlich nahm sie ohnehin an, dass ihr mütterlicher Rat den Anstoß gegeben hatte. Außerdem wurde ihre ganze Aufmerksamkeit von dem ebenso plötzlichen Verschwinden ihres Favoriten für die R olle des Schwiegersohnes eingenommen.
Victoria blieb natürlich stumm, was das Thema James Lacy anging. Sie ließ sich von ihrer Mutter nur das Versprechen abnehmen, ihr zu erlauben, einen Platz in der Nähe des Marquis’ für sie zu ergattern, falls sie ihn sahen. Und sich von ihrer charmantesten Seite zu zeigen.
Sie hatte das Gefühl, dass sie dieses Versprechen nicht in Schwierigkeiten bringen würde.
Während Melly und ihre Busenfreundinnen darüber diskutierten, was sie anziehen sollten, sich frisieren ließen und den neuesten Klatsch austauschten, schmiedete Victoria Pläne.
Seit einer Woche hatte sie nichts von Max gehört oder gesehen und obwohl sie seine arroganten, allwissenden Bemerkungen zu ihrem Plan fast vermisste, stellte sie fest, dass sie ihn dabei überhaupt nicht brauchte. Sie war zwar gekränkt und extrem sensibel zurzeit, doch sie konnte sich eigentlich nur auf das Hier und Jetzt und die Zukunft konzentrieren, nicht auf die Vergangenheit. Sie erinnerte sich daran, dass Max sie und die Venatoren auch früher schon gelegentlich verlassen hatte. Und er war jedes Mal zurückgekehrt.
Doch sie hatte den Verdacht, dass es dieses Mal nicht so sein würde. Er hatte keinen Grund dazu. Schließlich war er kein Venator mehr. Und er hatte ziemlich deutlich gemacht, dass er mit Victoria nichts mehr zu tun haben wollte. Dabei hatte er offensichtlich auch Kritanus und Wayrens Segen – deren Zurückhaltung nach zu schließen, wenn sie versuchte, das Thema anzuschneiden.
Wayren, Sebastian, Kritanu und Victoria hatten über ihren jeweiligen Verdacht gesprochen und überlegt, um was für eine Bedrohung es sich wohl handeln mochte und wie man ihr begegnen könnte. Sie waren sich alle einig darüber, dass es wohl weniger darum ging, die crème de la crème Englands in die Hand zu bekommen, sondern vielmehr einige oder mehrere zu töten. Queen Caroline (die Victoria wegen ihrer Verbindung zu George verdächtigte, entweder ein Mitglied der Tutela oder ein Vampir zu sein) hasste ihren Mann bestimmt genug, um so etwas anzuzetteln. Vielleicht hatte die Königin Lilith ihren Schutz angeboten. Denn das war doch schließlich der Sinn und Zweck der Tutela, oder nicht? Vampire zu schützen und ihnen zu dienen.
Trotzdem stand nichts mit Sicherheit fest, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als bei den Feierlichkeiten dabei und auf alles vorbereitet zu sein.
Am Tag der Krönung war es heiß und schwül, wie so oft im Juli.
Victoria verabscheute die Vorstellung, dass man von ihr erwartete, sich ihrer gesellschaftlichen Position entsprechend zu kleiden, statt etwas zu tragen, womit sie besser für den Kampf gegen Vampire oder
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