Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
Schnelligkeit verfügte, dass sie es mit Vampiren aufnehmen konnte.
Er hatte Angst um sie.
Victoria stieß wieder ein Schnauben aus. Viel wahrscheinlicher war, dass er Angst um sich selbst hatte. Oder genauer gesagt, um sein Herz.
Verdammter Feigling.
Er wohnte zurzeit in einem der Dienstbotenzimmer hier im Haus, das früher ihrer Großtante Eustacia gehört hatte und nach deren Tod in Victorias Besitz übergegangen war. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, bis er wieder verschwand.
Erst zwei Wochen waren vergangen, seit sie von Lilith, der Vampirkönigin, gefangen genommen worden waren, es jedoch erneut geschafft hatten, ihrem Zorn zu entfliehen. Eigentlich war Victoria überrascht, dass Max nicht schon längst wieder auf und davon war — vor allem, weil er das letzte Mal, als sie allein gewesen waren, gestanden hatte, dass er sie liebte, und dann den Raum verlassen hatte. Fluchtartig verlassen hatte, um genau zu sein.
Seitdem war er sorgfältig darauf bedacht gewesen, nicht wieder allein mit ihr zu sein.
In dem Moment merkte sie, dass Verbena, die genauso tüchtig wie geschwätzig war, ihr, während sie vor sich hin geträumt hatte, das Kleid ausgezogen hatte und nun dabei war, ihr das schwere rote Seidenkleid über den Kopf zu ziehen. Victoria hob die Arme, um sie in die kurzen, gefältelten Ärmel zu schieben. Weich schwingend fiel der Rock, dessen Saum mit zwei Reihen schmaler Falbeln besetzt war, bis zum Boden. Während Verbena die Knöpfe schloss, sodass Korsett und Unterkleid nicht mehr zu sehen waren, dachte Victoria über die Möglichkeiten nach, die ihr zur Verfügung standen.
Es hatte keinen Sinn zu versuchen, Max eifersüchtig zu machen. Er ermunterte sie ja sogar schon seit Monaten dazu, sich auf Sebastian einzulassen. Zwar hatte sie das auch ein paar Mal getan, doch vor einigen Wochen hatte sie erkennen müssen, dass der Mann, den sie genug liebte, um den Rest ihres Lebens mit ihm zu verbringen, nicht Sebastian Vioget war. Sondern Max Pesaro.
Diese Erkenntnis war ganz langsam in ihr gewachsen und war ihr erst mit voller Wucht ins Bewusstsein gedrungen, nachdem sie eine Nacht in Max' Armen verbracht hatte. In seinen starken, warmen Armen... während sie sich an seinen muskulösen Körper presste.
»Sie zittern ja, Mylady. Ist Ihnen etwa kalt? Das kann doch gar nicht sein. Wir haben August, und mein Haar ist völlig außer Facon geraten, was heißt: Draußen ist es warm. Ich hoffe doch, dass Sie keine Erkältung bekommen. Es gibt nichts Schlimmeres als eine Erkältung im Sommer. Da fühlt man sich dann richtig schlecht.«
Mit Gewalt verdrängte Victoria die Erinnerung an jene außerordentlich turbulente Nacht, die - wie sie erst später erkannte — der Höhepunkt einer seit zwei Jahren ständig wachsenden Anspannung zwischen ihr und Max gewesen war.
Max, den sie bei ihrem ersten Treffen irrtümlicherweise für einen Vampir gehalten hatte.
Max, der nicht geglaubt hatte, dass sie ein erfolgreicher Venator sein könnte, weil sie sich am Anfang ihrer Bekanntschaft mehr Gedanken um Kleider, Bälle und Tanzkarten... und die Herren des ton machte als über alles andere.
Max, der bei ihr gewesen war, als sie ihren Ehemann Phillip pfählte, nachdem dieser von Lilith der Dunklen in einen Vampir verwandelt worden war.
Max, der so verdammt ehrenwert und selbstlos war und etwas nicht annehmen wollte, von dem sie wusste, dass er es begehrte.
Aber am Ende hatte sie ihm das Geständnis doch abgerungen.
Ich wollte mich nicht in dich verlieben, aber ich kann nichts dagegen machen. Ich will nicht von dir weggehen, aber ich werde es verdammt noch mal tun. Victoria, ich mach das nicht noch einmal durch. Ich will nie wieder der Anlass sein, dass du deinen verdammten Hals riskierst. Das darf nicht passieren.
Victoria betrachtete ihre hohe, schlanke Gestalt, die jetzt in ein atemberaubendes Kleid in der Farbe von Blut gehüllt war. Ein Collier aus Diamanten und Granatedelsteinen lag um ihren Hals, und dazu passende Ohrgehänge streiften ihre weißen Schultern.
Dieses ganze Drumherum würde ihr Problem nicht lösen. Bei einem Mann wie Max würde sie diplomatischer sein müssen. Geschickter.
Sie musste an sein Ehrgefühl appellieren, ohne dass er es merkte.
Aber... sie lächelte sich im Spiegel an... so auszusehen wie jetzt würde ganz bestimmt nicht schaden.
Denn schließlich hatte sogar Illa Gardella noch andere Waffen als Holzpflöcke.
Kapitel 1
In dem die Marquise ohne Begleitung
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