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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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verdammt weh."
    Einen Augenblick war Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich konnte förmlich ihre Enttäuschung hören. Sie hatte mich bestimmt schon viermal zu ihren Lesungen eingeladen. Jedes Mal hatte ich irgendetwas vorgeschoben, um nicht zu gehen.
    Lesungen langweilten mich zu Tode.
    "Schade", sagte sie. "Ich hätte mich wirklich gefreut. Es gibt sogar ein kleines Buffet. Mit Sekt und Quarkschnitten."
    Quarkschnitten. Es dauerte etwas, bis ich realisierte, was ich gehört hatte.
    "Was hast du eben gesagt? Es gibt Quarkschnitten?"
    "Ja, und Sekt."
    Ich überlegte fieberhaft. Folge den Quarkschnitten. War das ein Zufall?
    "Naja", sagte ich. "Ich glaube, mit meinen Hämorrhoiden ist es doch nicht so schlimm. Und wenn es Quarkschnitten gibt, das will ich mir nicht entgehen lassen. Und natürlich deine Lesung, ich bin wahnsinnig gespannt, was du geschrieben hast."
    "Du kommst also?" In ihrer Stimme klang so viel Freude mit, dass ich mich einen Moment lang dafür schämte, mich immer wieder mit idiotischen Ausreden vor ihren Lesungen gedrückt zu haben.
    "Natürlich komme ich."
    "Prima", sagte sie. "Die Lesung fängt um 20:00 Uhr an. In der Pause gibt es die Quarkschnitten. Du weißt doch, wo die Buchhandlung Growohlt ist."
    "Klar. Ich werde um 20:00 Uhr da sein."
    "Dann bis heute Abend. Ich freue mich."
    "Ich freue mich auch."
    Ich legte auf. Quarkschnitten. Ganz sicher war das Ganze nur ein bescheuerter Zufall. Und ich würde mir stundenlang das Werk von Meike anhören müssen. Ich hasste Lesungen.
     
    Ich kam zu spät. Meike hatte schon angefangen, aus ihrem neuesten Buch zu lesen und ich quetschte mich auf einen leeren Platz. Auf meinem Sitz versuchte ich, möglichst leise zu sein und mich nicht zu bewegen, da meine Lederjacke bei jeder Regung ein quietschendes Geräusch von sich gab, was mir missbilligende Blicke meiner Nachbarinnen einbrachte.
    Meikes Roman handelte von einer Singlefrau um die dreißig, die Erdbeertorten liebte, fünf Kilo Übergewicht hatte und auf der Suche nach Mister Perfect und dem optimalen Body-Mass-Index war.
    Sie arbeitete in einer Kunstgalerie und war heimlich in ihren Kollegen verliebt. Dieser war jedoch mit ihrer Chefin liiert, einem Ex-Model mit Traummaßen.
    Meike hatte keinen schlechten Stil, stellenweise war sie auch witzig. Doch Bücher der Sorte ‚unscheinbares Mäuschen sucht Traumprinzen’ hatten mich schon immer gelangweilt.
    Während sie las, hatte ich Zeit, mir das Publikum im Raum etwas näher anzusehen.
    Mein erster Gedanke war, dass mit den Zuhörerinnen – es waren außer mir ausschließlich Frauen im Raum - etwas nicht stimmte.
    Ihre Gesichter waren glatt und wirkten leblos auf mich. Als trügen sie Masken, die ein dunkles Geheimnis verbargen. Die Frau neben mir, eine etwa 40jährige, füllige Schwarzhaarige in einem gepunkteten Kleid, wandte mir ihr Gesicht zu. Für einen kurzen Moment hatte ich die Vision, als würde sie sich mit einem Ruck ihre Haut vom Gesicht reißen und darunter käme ein blutiger, grinsender Schweinskopf zum Vorschein.
    Ich musste überreizt sein. Mein Herz raste, die Frau vor mir blickte mich immer noch unbewegt an. Dann lächelte sie für einen Moment und drehte ihren Kopf wieder nach vorne.
    Ich versuchte mich zu beruhigen, mich auf Meikes Worte zu konzentrieren, aber es dauerte, bis sich die Angst wieder verflüchtigt hatte, die wie ein Stromstoß in meinen Körper gefahren war.
    Dann hörte Meike auf zu lesen, sie lächelte in das Publikum und sagte, dass es jetzt eine Pause gebe, in der man sich am Büffet bedienen könne. Ihre Worte waren wie ein Startschuss zu einem wilden Gemetzel. Mit einem Ruck standen alle Zuhörerinnen auf und drängten mit schnellen Schritten zum Nebenzimmer, in dem das Büffet aufgebaut war. Ich hatte mich einen Moment zu spät erhoben und war auf einmal eingequetscht inmitten von sich hastig bewegenden Leibern, ein Ellenbogen traf mich im Magen, ich sackte zurück auf den Stuhl, der im nächsten Augenblick von stampfenden Beinen umgerissen wurde. Einen Augenblick lag ich mit dem Rücken auf der Stuhllehne am Boden, inmitten einer Herde von wild gewordenen Frauen, die in Panik über mich hinweg hetzten. Dann war es still und ich rappelte mich hoch. Die Stampede der hungrigen Frauen hatte nur ein paar Sekunden gedauert, die Stühle um mich herum waren leer.
    Im Nebenzimmer sah ich überall Frauen mit Tellern in den Händen, die eifrig vor sich hin mampften. Der Tisch, an dem man das Büfett aufgebaut

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