Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
aus den Großen Landen kam und uns dringlich bat, die Dunkelheit zu lindern.
Aber ach, es gibt keinen sicheren Weg für die Kinder von den Großen Landen hierher, doch Meril-i-Turinqi schenkte seiner Bitte Gehör und erwählte Lindo, meinen Gemahl, einen guten Plan zu ersinnen. Hatten doch Lindo und ich, Vaire, die Kinder in unsere Obhut genommen – die Nachfahren jener, die Kôr gefunden haben und für immer bei den Eldar blieben: Und also bauten wir hier mit Hilfe guten Zaubers diese Hütte des Vergessenen Spiels, und hier werden alte Geschichten, alte Lieder und elbische Musik bewahrt und gepflegt. Immer wieder aufs Neue ziehen unsere Kinder aus, die Großen Lande zu finden, gehen unter den einsamen Kindern umher, die früh zu Bett müssen, und in der Dunkelheit bei Lampenschein und Kerzenlicht flüstern sie ihnen ins Ohr oder trösten die, welche weinen. Einige, so höre ich, lauschen den Klagen jener, die gestraft oder gescholten wurden, hören ihre Geschichten an und schlagen sich zum Schein auf ihre Seite, und das ist, wie mir scheint, ein hübscher und liebreicher Dienst.
Nicht alle, die wir ausschicken, kehren freilich zurück, und das beschert uns großen Kummer, denn keinesfalls geschah es aus mangelnder Liebe, wenn die Eldar Kinder von Kôr fernhielten, sondern vielmehr, weil sie an die Heimstätten der Menschen dachten. Gibt es doch in den Großen Landen, wie du wohl weißt, viele wunderbare Flecken und liebliche Landstriche voller Verlockungen, und deshalb geschieht es einzig aus Notwendigkeit, wenn wir eines unserer Kinder in dieseGefahr entlassen. Doch die meisten kehren hierher zurück und erzählen uns von ihren Reisen viele Geschichten und traurige Dinge – und damit habe ich nun das meiste von dem erzählt, was von der Hütte des Vergessenen Spiels zu erzählen ist.«
Darauf sagte Eriol: »Fürwahr, das sind Botschaften, die traurig und doch tröstlich zu hören sind, und sie erinnern mich an gewisse Worte, die mein Vater in meiner frühen Kindheit zu mir sagte. Es ist lange Zeit, so sagte er, in unserer Sippe überliefert worden, dass einer unserer Vorväter von einem schönen Haus erzählt habe, von einem verzauberten Garten, einer wunderbaren Stadt und einer Musik voller Liebreiz und Sehnsucht – und diese Dinge habe dieser Vorfahr als Kind gesehen und gehört, doch wusste er nicht mehr wie und wo. Doch sein Leben lang war er ruhelos, als wohne in ihm eine unbestimmbare Sehnsucht nach unbekannten Dingen; und es heißt, dass er in einer Sturmnacht zwischen den Felsen einer einsamen Küste gestorben sei – und mehr noch: die meisten seiner Kinder und Kindeskinder sind später ruhelosen Geistes gewesen –, und nun, so will es mir scheinen, kenne ich den wahren Grund.«
Und Vaire fügte hinzu, es sei sehr wohl möglich, dass einer aus seiner Sippe in jenen alten Tagen die Felsen von Eldamar gefunden habe.
Anmerkungen
1 Gnomen: das Zweite Geschlecht, die Noldoli (später Noldor ). Zum Gebrauch des Wortes Gnomen vgl. S. 83.; zur hier gemachten linguistischen Unterscheidung vgl. S. 94f.
2 Die »Großen Lande« sind die Länder östlich des Großen Meeres. Der Name »Mittelerde« wird in den Verschollenen Geschichten an keiner Stelle verwendet, und tatsächlich taucht er erst in den Schriften der 30er Jahre auf.
3 In beiden Manuskripten heißt es nach den Worten: »von allen Eldar«: »denn solche von höchstem Rang gab es nicht, da es doch angemessen und ausreichend ist, vom Blute der Eldar zu sein«. Doch im zweiten Manuskript wurde dieser Satz gestrichen.
4 Ursprünglich lautete die Stelle: »den großen Tirion«. Sie wurde geändert in »den großen Turm«.
5 Anstelle dieses Satzes (»einen Sohn Earendels, wie mich dünkt …«) findet sich im ursprünglichen Manuskript eine frühere Version: »Sollen sie erzählen von Earendel, dem Wanderer, der allein unter den Söhnen der Menschen guten Umgang pflog mit den Valar und Elben, der als Einziger seines Geschlechts über den Taniquetil hinausgeblickt hat, der auf immer durch das Himmelsgewölbe segelt?«
6 Die ursprüngliche Fassung lautete: »vor den Tagen von«; sie wurde geändert in: »in den ersten Tagen von« und schließlich in die vorliegende.
7 Dieser letzte Satz war eine Hinzufügung im zweiten Manuskript.
Veränderungen der Namen
In dieser Zeit waren die Namen einer ständigen Veränderung unterworfen, die zum Teil die rasche Entwicklung der Sprachen widerspiegelt, die damals stattfand. Veränderungen wurden im
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