Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
Vom Netzwerk:
Weib wieder beizuwohnen vermocht. Es hallte noch immer in ihm nach. Und unter dem dicken Verband pochte das Blut schmerzhaft durch seine wunde Hand.
    Was für eine Woche! Als er das erste Mal mitten in der Nacht erwacht war, vor Schmerzen und weil ein Kind schrie, hatte er nichts begriffen. Als er das Schmatzen des Säuglings hörte und Hedwig seine unverletzte Hand behutsam auf das flaumige Köpfchen legte, hatte er geglaubt zu träumen. Als sie mit ihm flüsterte, war er gerne aufgewacht, auch wenn er sich dadurch der Körperqualen bewusst wurde. Hedwig neben ihm? Und das Gequäke war das seiner Tochter? Und das Bett – das seine? Kein fauliges Strohlager, kein Totenbett im Winterwald? Nein. Er war zu Hause. In Sicherheit. Wie das gekommen war, hatte Hedwig ihm nach und nach, je mehr er bei Bewusstsein war, enthüllt. Sie erzählte, was geschehen war. Dass ein Fremder sie gerettet habe; dass sowohl ihre als auch seine Eltern hier gewesen waren, was er unbestimmt wahrgenommen hatte; dass das Buch in ihre Hände gekommen und nun zurück in der Kanzlei sei. Dumpf erinnerte er sich an diese ersten Tage. Manchmal raubte ihm der Schmerz in der Hand den Atem, und er bekam Hedwigs Murmeln nicht mit, ein anderes Mal brachte er ihre Sätze durcheinander. Nach und nach hatte er das Bewusstsein wiedererlangt, war zitternd erwacht.
    Auch jetzt zitterte er. Trotzdem konnte er sich nicht aus seiner starren, vornübergebeugten Haltung auf dem Schissbalken lösen. Die Ellbogen auf den Knien, den Kopf in den Händen, saß er und dachte nach. Vor einer Woche hätte er vors Hofgericht sollen. Nachdem ihn die Hurensöhne aus dem Seltenleer geholt und in den Wald verschleppt hatten, sah man ihn zwar nicht mehr als Mörder seines Weibes, dennoch war seine Tat Gegenstand der Untersuchung. Er war nicht imstande gewesen, vor das Gericht zu treten. Stunden ohne Bewusstsein, der Körper heiß glühend, dann wieder vom kalten Schweiß überzogen, die Beine kaum fähig, sich aus dem Bett zu schwingen, wenn er sich erheben wollte, um in den Nachttopf zu pissen. So war Hedwig mit ihren und seinen Eltern dort gewesen. Und mit diesem Ausländer, den alle Hedwigs Retter nannten. Soweit er sich erinnerte, hatte der Dreckskerl, der ihm den Finger abschnitt – der Herr von Massenfels, wie er inzwischen wusste – eine andere Bezeichnung benutzt. Und als Philipp den Kauz das erste Mal gesehen hatte, war er drauf und dran gewesen, diesem Massenfels recht zu geben. Fahles Gesicht, schwarze Gewandung, ein abgewandter Blick und schließlich dieses eigenwillige Schweigen. Dem musste man die Würmer ja einzeln aus der Nase ziehen. Nun, er hatte einiges in Kauf genommen, um Hedwig beizustehen. War selbst verwundet worden und wurde noch immer von Wittib Ringeler umsorgt. Auch hatte man ihm die Anweisung gegeben, Heidelberg vorerst nicht zu verlassen. Nun, Philipp mochte sich gar nicht ausmalen, was ohne diesen Ryss mit Hedwig geschehen wäre. Auch wenn ihm unangenehm war, daran zu denken, dass sie diesem Fremden so viel verdankte. Wenn er ehrlich war, war er eifersüchtig. Und er schämte sich. Denn er hätte seinem Weib helfen müssen.
    Aber er hatte es nicht vermocht.
    Kilian war es gewesen, der ihm ins Gewissen redete. Vergangenen Mittwoch, als die Witwe wie immer für sie mitgekocht hatte und man erstmals gemeinsam in der Stube beim Essen beieinandersaß. Da hatte ihn die schweigsame Art des Fremden derart misstrauisch gemacht, dass er sich insgeheim fragte, ob der Sonderling etwas zu verbergen hatte, was mit Massenfels’ Gerede über einen Magier, der sein Weib verzaubert und verführt hatte, einherging. Er hatte Hedwig angeschaut, die mit roten Wangen am Tisch saß, so offensichtlich froh, dass er
und
Ryss um sie waren, dass er vor Misstrauen ganz mürrisch wurde. Erst als Kilian dazustieß, um ihnen mitzuteilen, dass man am Nachmittag die Herren von Massenfels und vom Fleckstein hinauf zum Seltenleer geführt habe, vergaß er das Mürrisch-Sein. Später sprach Philipp allein mit seinem Freund.
    „Nach allem, was ich weiß und sah, Philipp, kann ich nur sagen, sei froh, dass der Zufall ihn ins Spiel brachte. Schau dir Hedwig an. Schau dir ihn an“, sagte Kilian, hob dabei die Hände, Handflächen nach oben. „Nicht dass er hässlich wäre.“ Er ließ die Hände sinken. „Aber sie haben Schlimmes durchlitten. Das lässt einen zusammenstehen. Doch mehr auch nicht. Und ob Sarazene oder Mohr oder Italiener, was kümmert es, woher dieser Ryss kommt?

Weitere Kostenlose Bücher