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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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die sie fast mit Händen zu greifen vermochte, so deutlich standen sie im Raum: Ob da auch nichts Unschickliches gewesen sei? Sie hätte jetzt rechtfertigend erneut betonen können, dass Ryss ihr das Leben gerettet hatte. Aber sie erwiderte nichts. Und das nicht nur, weil es spät und sie müde war. Tief in sich spürte sie, dass sich etwas verändert hatte. Eine Stärke war da in ihr gewachsen, etwas, das ihr erschien wie ein tiefer Einblick ins Leben, der ihr durch die schlimmen Ereignisse zuteilgeworden war. Es war, als hätte sich eine fast kindliche Ängstlichkeit, die sie noch immer in vielem gespürt hatte, verflüchtigt zu einer gehaltvollen Zuversicht, zu einem Wissen um Sein und Reife. Und sie wusste: Mutter musste nicht alles wissen. Hedwig stand zu dem, was gewesen war – und zu ihren Gefühlen.
    Ruhig war es in ihr.
    Philipp lag in der Schlafkammer nebenan im eigenen Bett und schlief tief und fest. Der Arzt hatte nach den Wunden gesehen, sie erneut gesäubert, hatte den Stumpf abgebunden, Tinkturen eingeflößt, Salben dagelassen. Er hatte erlaubt, Philipp ins eigene Gemach zu bringen, die vertraute Umgebung, so war der Medicus gewiss, sei dem Heilungsfortgang zuträglich. Philipps Stiefvater hatte den Arzt bezahlt. Kilian hatte daraufhin zusammen mit dem Büttel, den Botenmeister Biber in seiner Wohnung abgestellt hatte, zwei Freunde zu Hilfe geholt. Mutter hatte ihr genauestens den Trubel geschildert, als sie alle bei der Wohnung ankamen. Eine aufgelöste Witwe Ringeler, ihre neugierigen Kinder zwischen all dem Treppauf-Treppab, um Reste kalten Bratens, Eimer heißen Wassers und Brezeln zu bringen, um die sie ihren Ältesten zum Bäcker an Heiliggeist geschickt hatte. Dazwischen Juli, die schrie, da ihr Hedwig fehlte. Letztlich gut, dass sie nicht hier gewesen war, Hedwig wusste nicht, ob sie den Tumult ausgehalten hätte. Und Juli hatte sich wieder beruhigt. Sie schlief nun in ihrem Körbchen, das Hedwig dicht ans Ehebett herangeschoben hatte. Gleich welche Töne ihr Kind auch von sich gab, ob sie schmatzte oder greinte, ob sie rief oder lallte: Ihre Geräusche würden Philipp wissen lassen, dass er bei den Seinen war.
    Hedwig gähnte, nahm einen Schluck Bier. Sie äugte zu ihrer Mutter, in deren Gesicht im hellen Kerzenschein sie plötzlich Falten ausmachte, die ihr vorher nie aufgefallen waren. Zum ersten Mal dachte sie, dass sie älter wurde. „Wird es dir auch nicht allzu sehr zusetzen, auf dem harten Boden zu schlafen?“, fragte Hedwig.
    „Ach Kind“, winkte sie ab. „Die zwei Nächte.“
    Ihre Eltern und ihr Bruder würden ihr Lager hier in der Wohnstube aufschlagen. Nachher, wenn sie vom Essen zurückkämen, würden sie den Tisch zur Seite rücken und die Stühle obenauf stellen.
    Ja, zum Essen im „Hirsch“ waren sie, Vater, Michel, Kilian, der Herr Zahn und sein Eheweib Susanne. Denn angesichts all der Besorgungen hatte niemand von ihnen viel bei dem zugelangt, was Witwe Ringeler ihnen hingestellt hatte. Holz beischaffen, Feuer machen, Licht entzünden, Philipp waschen und betten, Juli im Auge behalten. In all diese Geschäftigkeit hinein war Hedwig mit Vater und Ryss sowie Herrn Zahn, der zum Schluss in die Kanzlei nachgeeilt war, zurückgekommen. Kurz darauf hatte auch Kilian noch einmal vorbeigeschaut, nachdem er Appel zum Haus Belier geleitet und anschließend im Marstall vermeldet hatte, dass er morgen Vormittag zum Hofgericht müsse und erst später zur Arbeit käme. Da hatte ein Blick Mutters genügt. Während Herr und Frau Zahn samt Kilian Philipp umstanden, hatte sie ihren Ehemann beiseitegenommen und ihn angehalten, sie mit der Tochter allein zu lassen. Hedwig brauche ein Innehalten, allem voran ein Bad, das Kind sei zu versorgen und zur Ruhe zu bringen, kurzum, Weiberkram stünde an – und die Fürsorge der Mutter. Er und Michel sollten sich doch bitte trollen, zumal sie noch nichts Rechtes gegessen hätten, sie selber würden Brot essen, auch heißes Kraut von der Witwe sei noch da, das mitgebrachte Salzfleisch. Vater hatte genickt, Michel am Kragen gepackt und Kilian kurzerhand zum Dank zum Essen eingeladen, obwohl der ihm zuvor in der Kanzlei gestanden hatte, dass er es nach allem, was ihm von Philipp samstags im Seltenleer anvertraut worden war, nicht über sich gebracht hatte, zu ihm zu kommen und ihm davon zu berichten. „Und gar nichts erzählen hätte er ja auch schlecht können“, gab Vater ihr auf dem Heimweg Kilians Argumente wieder, für die er Verständnis

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