Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Wales, mein Gott, auch bloß ein Land mit Häusern, Flüssen und Bäumen.“
Philipp, der sich unter Kilians Rede zurück ins Bett mühte, während Hedwig nebenan aufräumte und Ryss sich mit dem Geschirr auf den Weg nach unten machte, fühlte sich nicht wirklich von den Worten seines Freundes beruhigt. Selbst dann nicht, als dieser sich auf die Bettkante setzte und ihn anlächelte. „Nun mach nicht ein solches Gesicht“, sagte er und half ihm, die Decke über sich zu ziehen. „Sie will dich und keinen sonst, und das weißt du.“
Er sah es noch immer vor sich, das ernst werdende Antlitz seines Freundes im Schein der Kerzen, die sie neuerdings benutzten, als dieser sagte: „Dich trifft keine Schuld. Auch Ehre kostet es dich nicht. Du wurdest gepresst. Du wurdest missbraucht. Und es gab nichts, was du hättest anders machen können.“
Trotzdem fühlte er sich scheiße.
Und als spüre er dies, fügte Kilian nach einem kurzen Augenblick des Schweigens an: „Meine Achtung hast du noch immer.“
Da erst löste sich der Knoten in seinem Innern, und Philipp wusste: Das war der Satz, den er gebraucht hatte, ohne es zu wissen.
Er zerrte an der Decke und sagte: „Na los, Mährenschinder, verzieh dich, ich brauche Ruhe!“
Auf Kilians Gesicht lag ein Lächeln, als er den Kerzenständer aufnahm und sich zur Tür wandte.
Philipp schloss die Tür.
„Dachte schon, du bist am Schissbalken festgefroren!“, schmunzelte Hedwig. Sie gab ihm im Vorbeigehen einen flüchtigen Kuss auf die Wange und eilte dann geschäftig zum Bord, um die Breischalen zu holen. Sie wuselte hin und her, und Juli brabbelte in ihrem Körbchen, das auf dem Stuhl am Tisch stand. Philipp beugte sich über sie. Immer wieder wunderte ihn dieser aufmerksame Blick seiner Tochter. Ihre im Dämmerlicht dunkel schimmernden Augen sahen ihn neugierig an. Er sprach zu ihr, sie hörte seine Stimme und lächelte.
„Ich werde sie bei der Witwe lassen. Als ich vergangenen Montag beim Hofgericht war, hat sie doch gestört, obwohl Mutter dabei war und sie mir abnahm und hinausging. Aber da Wittib Ringeler ebenfalls geladen war, musste ich sie mitnehmen. Aber heute lassen wir sie hier.“ Sie beugte sich ebenfalls über das Körbchen, Julis Blick zuckte zu ihr, und Hedwig säuselte: „Bleibst du bei der Witwe und den Mädchen, ja? Das wird dir gefallen, mein Herz!“
Sie kam hoch und stemmte die Arme in die Seiten. „Geh dich anziehen, Mann. Um acht Uhr müssen wir dort sein.“
Hedwig hatte die ganze vergangene Woche über wieder gearbeitet. Montagmorgen ausgenommen, wo sie schon einmal beim Hofgericht hatte erscheinen müssen. Heute nun hatte sie wieder frei, um zum Hofgericht zu gehen. Auch morgen und übermorgen musste sie nicht arbeiten. Das hatte Hedwigs Vater letzte Woche mit Herrn Belier ausgemacht, bevor er die Heimreise angetreten hatte. Im Schoß ihrer Familie sollte Hedwig sich von den Schrecknissen erholen. Hedwigs Großmutter feierte Namenstag, und ihr Sohn richtete ein Fest für sie aus. Also würden sie morgen zusammen nach Reilingen gehen und am Mittwoch zurückkommen. Ryss war auch eingeladen. Er sprach noch immer nicht viel. So war der eben, das hatte Hedwig ihm eines Abends bestätigt. Sie hatte zudem gesagt, dass sie das anfänglich verunsichert, ja gar geärgert habe. Dass sie sogar Angst vor ihm gehabt hätte. Und je mehr sie Philipp erzählte, desto mehr begriff er ihre Lage und desto weniger grämte oder misstraute er Ryss. Er bekam ja zudem mit, wie der sich nützlich machte. Er half der Witwe hier und da, schippte Schnee und schaffte Wasser bei. Der war schon recht – auf seine Art. Am gestrigen Sonntag waren sie gar gemeinsam beim Gottesdienst gewesen. Die Witwe hatte darauf bestanden. Es stärke sie für das, was heute vor ihnen lag, meinte sie. Nun, geschadet hatte es auch nicht. Philipp streckte sich, löste sich von seinem Kind und tappte hinüber in die Schlafkammer, um sich gänzlich anzuziehen. Inzwischen war er wach.
Nicht, dass er sich dies nicht die ganze Woche über immer wieder gefragt hätte. Doch seine Mattigkeit und Erschöpfung hatten, zusammen mit den Schmerzen, dem Gegrübel schnell ein Ende gesetzt. Nun, da er das herrschaftliche Gebäude der kurfürstlichen Verwaltung vor sich aufragen sah, fielen die bangen Fragen über ihn her wie geifernd knurrende Hunde über einen Knochen.
Was würde geschehen? Würde man ihn seines Amtes entsetzen?
Gestern, in der Kirche, hatte er Botenmeister Biber gesehen. Der Mann
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