Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
ebenfalls. Mantel und Röcke waren feucht und schmutzig, ihr Unterkleid war an der Brust von der auslaufenden Milch verklebt. Sie hatte sich drei Tage nicht gewaschen, das war sie nicht mehr gewohnt. Seit sie stillte, wusch sie sich jeden Abend. Zumal man im Hause Belier Sauberkeit und ordentliches Aussehen erwartete.
Sie wiegte Juli. Diese wand und rührte sich, verzog das Gesicht und begann zu greinen.
Hedwig musste sie ablegen, um den Mantel zu öffnen. Juli plärrte noch mehr. Ein forderndes Schreien, das in der bisherigen Stille laut wie Glockenschlag tönte. Hedwig flüsterte mit ihr, während sie ihre Kleidung öffnete. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Ryss aufstand und zum Höhleneingang ging.
Sie legte ihr Kind an die Brust und war erleichtert um die augenblicklich einkehrende Ruhe. Dass Ryss sich stets rücksichtsvoll zurückzog, wenn sie mit dem Stillen begann, erfüllte sie mit Dankbarkeit. Weiber, die ihren Kindern die Brust gaben, konnte man allenthalben sehen. Auch sie hockte zuweilen inmitten einer Gruppe von Freunden oder unter Frau Spahrs und Margrets Blicken. Doch so ganz allein mit einem vollkommen Fremden fühlte sie sich befangen.
Juli saugte, als gälte es ihr Leben. War ja auch kein Wunder, so um die Mittagszeit, schätzte Hedwig, hatte sie ihr das zerstoßene Pulver gegeben, nun war es bestimmt bereits gegen Mitternacht. Alle vier, fünf Stunden gab sie ihrem Kind die Brust. Jetzt waren sicher mindestens zwölf vergangen. Nur wenn Juli eine Nacht durchschlief, lag eine ähnliche Zeitspanne zwischen dem Füttern. Und auch dann war sie ausgehungert wie ein kleiner Wolf. Aber jetzt lag es nicht am Hunger allein. Beunruhigt stellte Hedwig fest, dass ihre Milchvorräte zurückgegangen waren. Weshalb? Weil sie selber kaum Nahrung zu sich genommen hatte? Wegen all der Furcht und Anspannung der letzten beiden Tage? Schon nach kurzer Zeit war die linke Brust leer. Sie legte Juli an die andere. Auch hier saugte sie gierig. Und auch hier versiegte der Milchstrom schon kurz darauf. Juli wollte ihre Brust nicht hergeben, aber es tat weh, sie daran weitersaugen zu lassen. Also schob sie den kleinen Finger zwischen ihren Mund und die Brustwarze. Als Juli den Mund öffnete, glitt ihr Finger hinein. Juli saugte daran, merkte jedoch rasch, dass keine Nahrung kam, verzog das Gesicht – und weinte.
Hedwig hörte Ryss herankommen und schloss geschwind Hemd und Wams. Sie sprach auf Juli ein, die zwischen ihren ausgestreckten Beinen lag und anklagend krähte.
Ryss ging in die Hocke, legte Holz nach und sagte: „Es kann nicht sein wegen der Pille, oder?“
Hedwig erschrak. „Was war darin?“ Sie schloss den Mantel.
„Öl vom Hopfen. Mohn.“
Das Übliche. „Nein“, sagte Hedwig. „Das kennt sie. Ich gebe ihr zuweilen Honig und Mohn, damit sie schläft und nicht bei der Arbeit stört, wohin ich sie freundlicherweise mitnehmen darf.“ Sie legte die Hand auf Julis Bauch und murmelte: „Scht, Kind, scht!“
„Dann soll sie wohl gemacht werden sauber?“
„Das und … ich glaube, sie ist nicht satt.“ Verlegen widmete sie sich dem greinenden Kind. „Der Milchfluss versiegt“, ergänzte sie, ohne ihn anzusehen.
„Oh!“, machte Ryss und schaute auf Juli.
„Ist warmes Wasser gut?“ Er erhob sich und suchte in dem Haufen herum, zu dem er seine Habe getürmt hatte, förderte schließlich einen kleinen Schmelztiegel mit vier kreuzförmig angeordneten Ausgüssen zutage. Er ging hinaus, und als er zurückkam, stellte er das schneegefüllte Gefäß ins Feuer. Dabei geriet er in Julis Blickfeld, und sie drehte den Kopf nach ihm. Sie verstummte und betrachtete ihn. Dann machte sie „Ga!“ und lachte ihn an. Bei so viel offensichtlicher Zuneigung konnte Ryss nicht anders, Hedwig sah es ihm an. Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. Dann legte er ein weiteres Holzstück aufs Feuer und setzte sich daneben. Schweigend warteten sie, bis das Wasser eine mäßige Wärme erreicht hatte. Dann wickelte Hedwig Juli aus dem Fell und dem Wolltuch. Juli begann zu strampeln. Das Leinentuch um ihren Hintern war verkackt, nass und stank erbärmlich. Als Hedwig es fortnahm, streckte Juli glucksend die Beinchen in die Höhe. Die Kühle schien ihr nichts auszumachen. Vergnügt bewegte sie die Gliedmaßen auf Hedwigs ausgestreckten Beinen und ließ dabei Ryss nicht aus den Augen, der nahebei saß und eine Möhre knabberte.
Hedwig schlug ihren Mantel zurück und schob den Rock hoch. Mit Ryss’ Dolch schnitt
Weitere Kostenlose Bücher