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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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sie ein kleines Stück Tuch aus ihrem Untergewand. Das tauchte sie in das handwarme Wasser im Tiegel, säuberte damit Juli und bemerkte: „Sie hat die grauen Augen ihres Vaters. Und den blonden Flaum, den er als Säugling ebenfalls hatte. So sagt jedenfalls seine Mutter.“ Beim Klang ihrer Stimme hatte Juli ihre Aufmerksamkeit auf sie gerichtet. Ihr Kind sah sie an und lauschte ihren Worten, umso mehr, als Hedwig sich zu ihr hinunterbeugte und sie ihr mit einem Lächeln zuraunte. Juli gluckste und freute sich. Herr, welch ein Geschenk war dieses Wesen doch, ein solches Wunder! Sie lächelte und kitzelte Julis Bauch. Und Juli juchzte.
    Später, nachdem sie ein weiteres Stück Tuch aus ihrem Unterkleid geschnitten und es als Windel benutzt hatte, versuchte sie, ihr Kind in den Schlaf zu wiegen. Sie hielt Juli in den Armen und ließ sie mit einer Haarsträhne spielen, die sich längst aus ihren geflochtenen Kringeln gelöst hatte. Aber Juli war nicht müde. Sie hatte wohl genug geschlafen. Sie selbst konnte kaum noch die Augen offen halten. Das herunterbrennende Feuerchen warf zuckende Schatten an die Steinwände, sie drehte den Kopf zu Ryss, der neben ihr an der Felswand saß.
    „Ihr scheint genauso wenig müde wie sie“, sagte Hedwig zu ihm. Er war die ganze Zeit über schweigsam gewesen. Und auch jetzt schien er nur widerwillig eine Antwort geben zu wollen. „Ich schlafe nicht sonders gut“, hörte sie ihn sagen. „Tribut eines Wandernden.“
    Schon schwieg er wieder. Ihr fielen die Augen zu. Da hörte sie seine Stimme noch einmal: „Zu viel Schlaf ohnehin ist nicht gut für den Menschen.
Viel schlafen tut den Geist verwirrn, bringt Pein und Weh in das Gehirn
.“
    Leise lachte sie. „Wer sagt das denn?“
    Er gab keine Antwort.
    Juli quäkte und rührte sich unruhig.
    „Gebt sie mir“, sagte er.
    Verwundert drehte sie ihm den Kopf zu.
    Doch er nickte und schob die Arme unter seinem Umhang vor.
    Sie reichte ihm Juli. Er nahm sie und bettete sie behaglich in seinen Schoß. Juli betrachtete ihn mit großen, wachen Augen. Hedwig hatte sie lediglich lose in das Fell gehüllt, sodass sie sich bewegen konnte. Das tat sie nun, wieder und wieder führte sie die Händchen in ihrer Körpermitte zusammen, betrachtete sie, ließ sie fahren, betrachtete Ryss.
    Der neigte den Kopf zu ihrem Kind hinunter und flüsterte: „Schlaf, Kind.
Nichts Böses dringt in deine Träume, und nie betrittst du Höllenräume
.“
    „Was?“, machte Hedwig.
    „Ein Vers aus meiner Heimat“, erklärte er. „Schlaft auch Ihr.“
    „Und Ihr?“
    „Ich halte Wache.“
    Hedwig hörte ihn neben sich auf Juli einflüstern, während ihr die Augen zufielen. Sie hörte ihn murmeln, hörte den sanften Klang seiner fremdländischen Worte. Das Letzte, das sie hörte, ehe sie in Schlaf glitt, war ein zärtliches Raunen, das wie ein Band lieblich im Wind fächelte. „Nos da. Cysga’n dawel.“

Sechundzwanzig
    Wenigstens hatten sie ihm nicht die Hände gebunden. Doch auch so fühlte Philipp sich wie ein Verbrecher. Zwei Büttel hatten ihn aus dem Seltenleer getrieben und ihn mit ihren Fackeln den Jettenbühl heruntergehetzt. Kanzleiknecht Conradt Hofman, sein Nachbar, zuständig für den östlichen Eingang der Kanzlei, hatte die Tür geöffnet und lediglich betrübt seinen Namen geraunt. Als Philipp die Hofgerichtsstube betrat, grüßte man ihn halblaut. Der neue Morgen lag noch dunkel hinter den Fenstern, in denen sich Kerzenschein spiegelte.
    Verhöre begannen früh.
    Dass man ihn überhaupt am heutigen Freitag vernahm und nicht bis Montag wartete, dem regulären wöchentlichen Verhör- und Verhandlungstag des Hofgerichts, beschwerte die Schuldlast auf seinen Schultern nur noch mehr. Hatte sein Schwiegervater dazu gedrängt? Oder hielt man es ohnehin für dringlich, ihn zu befragen, weil man der vermeintlichen Verbrecherspur folgen wollte, solange sie frisch war?
    Bei der Tür hatte sich Kanzleibote Wolstetter postiert und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Mitten im Raum stand Botenmeister Biber, einer römischen Statue gleich, aufrecht und ernst und mit glänzendem Glatzkopf, den Hut vor sich haltend wie ein übergroßes Feigenblatt. Am Tisch saßen, umflackert von Kerzenlicht, Hofgerichtsrat Andreas Weber, Hofgerichtssekretär Abels und sein Adjunctus Arbogast. Während Letzterer ihm einen kurzen Blick schenkte, frostig wie der Morgen selbst und in dieser Ablehnung anmaßend für einen jungen Gehilfen wie ihn, fuhr sich der

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