Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
schneebedeckten Stufen hinauf und stieß die Eingangstür zum Revier auf.
»Den kann man ja kaum aufhalten«, stellte Harker fest.
Flake lief Sanchez hinterher. »Wir sind beide pflichtbewusste Bürger!«, rief sie Harker noch zu.
Als Sanchez den Zustand des Empfangsbereichs sah, prallte er zurück. Alles war voller Blut – die Wände, der Flur, alles! Und es roch wie im Tapioca am Curry-Abend. Harker folgte den beiden hinein.
»Hier herrscht das blanke Chaos«, sagte er und marschierte entschlossen an Sanchez und Flake vorbei. »Eure erste Aufgabe wird es sein, hier sauber zu machen. Die Spurensicherung war schon da und ist mit der Arbeit durch. Jetzt muss nur noch jemand das Blut abwaschen und aufwischen.«
»Das kriegt Sanchez bestimmt super hin«, sagte Flake.
»Stimmt«, bestätigte Sanchez. Er musste im Tapioca ständig Blut und Pisse von den Wänden waschen. Und für tausend Dollar machte er das sogar gern.
Harker lächelte und griff in die Schublade des Schreibtischs am Empfang. »Ihr müsst euch nur kurz hier in die Liste eintragen«, bat er und schlug das Buch auf. »Das macht ihr jetzt jeden Tag und erwerbt damit das Recht, die Bürger der Stadt nach Belieben zu verhaften, zu drangsalieren und einzuschüchtern. Tausend Dollar Prämie sofort, und danach bekommt ihr fünfhundert Dollar pro Tag.«
Sanchez nahm sich schnell den Stift vom Schreibtisch, bevor Flake zugreifen konnte. Er machte die geforderten Angaben, trug dann seinen Namen ein und übergab das Buch an Harker.
»Zahlen Sie bar?«, wollte er wissen.
»An den ersten Tagen schon, danach wird der Betrag überwiesen.«
»Einverstanden.«
Flake begann nun auch, ihre Daten einzutragen. Harker trat ein paar Schritte zurück und musterte seine beiden neuen Rekruten von Kopf bis Fuß. Stirnrunzelnd sagte er: »Okay, ich geh jetzt kurz nach oben und besorge euch zwei Uniformen. Bei dir wird das kein Problem, Flake, du hast ja eine normale Figur. Aber es wird dauern, bis ich eine passende Hose für dich finde, Sanchez.«
»Ich trage Medium«, sagte Sanchez leicht beleidigt.
»Klar, und ich bin der Kaiser von China«, erwiderte Harker. »Ich finde die passenden Hosen, keine Sorge. Okay, ihr könnt inzwischen schon mal anfangen. Flake, du setzt dich an den Empfang und nimmst alle Anrufe und Anzeigen entgegen, falls sich jemand hier persönlich blicken lässt. Wenn du dir nicht sicher bist, was genau du machen sollst, erzähl einfach irgendwas.«
Flake war Feuer und Flamme. »Das krieg ich hin!«
Harker wandte sich an Sanchez. »Und du fängst damit an, den Aufzug zu säubern. Dahinten in der Ecke stehen Wischmopp und Eimer. Wasser und Reinigungsmittel sind schon drin. Du musst lediglich …«
»Danke, ich weiß, wie man wischt«, sagte Sanchez.
»Schön. Dann erwarte ich einen blitzblanken Fahrstuhl, wenn ich wieder hier bin.«
Harker drehte sich auf dem Absatz um und ging zu der Tür, hinter der sich das Treppenhaus verbarg. Sanchez schnitt eine Grimasse hinter dem Rücken seines neuen Chefs und fluchte leise.
»Ist das nicht aufregend?«, fragte Flake.
»Ich bin ganz aus dem Häuschen«, antwortete Sanchez sarkastisch. Er holte sich Eimer und Mopp. Dann ging er damit Richtung Aufzug und drückte den grauen Knopf. Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich sofort, und Sanchez schlug der bestialische Gestank von Exkrementen entgegen. Der gesamte Fahrstuhl war von oben bis unten voller Blut, Gehirnmasse und Scheiße. Das war nochmal eine Klasse schlimmer als die Toiletten im Tapioca nach einer Samstagnacht. Angewidert schüttelte Sanchez den Kopf, zog den Mopp aus dem Eimer und legte los. Das würde richtig viel Arbeit werden. Und bis der Gestank verschwand, konnte es noch Wochen dauern.
Zwei Minuten später hörte Sanchez, wie jemand zum Empfangstresen hinter ihm ging.
»Ich würde gern den Diebstahl eines Buches aus der Bibliothek melden«, sagte eine weibliche Stimme, die Sanchez sofort wiedererkannte.
Ulrika Price. Das Miststück.
Sanchez stellte sich auf den kleinen Fleck im Aufzug, den er schon gewischt hatte, und drehte sich um. Sein Blick kreuzte sich mit dem von Ulrika. Offenbar war sie direkt von der Arbeit hergekommen, denn sie trug eine Wollstrickjacke über einem geblümten Kleid – die Standard-Berufskleidung von Bibliothekarinnen der gesamten westlichen Hemisphäre. Drohend beugte sie sich über den Empfangstresen, an dem Flake saß und Sanchez den Rücken zukehrte. Als sie Sanchez registrierte, riss Ulrika weit die
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