Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
Kid«, sagte er und zeigte auf ein Gesicht auf dem Bildschirm. »Meinen Sie etwa den?«
Silvinho starrte den Monitor an. »Ist er das?«
»Ja.«
»Ist aber kein besonders gutes Bild, oder?«
»Nein. Trotzdem habe ich ihn darauf als den Mann wiedererkannt, der noch vor ein paar Minuten hier in meinem Büro stand.«
»Was?«
»Ich hatte gerade seine Freundin gefeuert, da kam er zu mir ins Büro und wollte Ärger machen. Was soll ich sagen – völlig lächerlich!«
»Der Bourbon Kid hat eine Freundin?«
»In der Tat. Und für die Belohnung, die für Informationen zu seiner Ergreifung ausgesetzt ist, gebe ich Ihnen nur zu gern ihre Adresse.«
Silvinho zog ein Messer mit einem aus Knochen gefertigten Griff aus seinem Mantel. Die gezackte Klinge war fast dreißig Zentimeter lang. Zärtlich strich er mit dem Daumen über das glatte Ende und musterte Simmonds.
Der Kurator machte ein betroffenes Gesicht. »Gewalt ist absolut unnötig«, sagte er nervös. »Ich will nur die Belohnung.«
»Die können Sie vergessen«, knurrte Silvinho. »Geben Sie mir sofort die Adresse, oder ich schneide Ihnen die Eier ab.«
♦ VIERZEHN
Beth sah aus dem Fenster und beobachtete die dicken weißen Flocken, die unablässig vom Himmel fielen. Seit dem Gewitter in der Nacht zuvor hatte es nicht mehr aufgehört zu schneien. Zwanzig Zentimeter Schnee bedeckten inzwischen den Boden. Die Wolken über der Stadt waren so dunkel, wie Beth es noch nie erlebt hatte, und schienen den gesamten Himmel zu verdecken. Ab und zu fand ein Sonnenstrahl seinen Weg hindurch, ansonsten aber hatte sich Santa Mondega über Nacht in eine Stadt der Dunkelheit verwandelt.
In JD s supercoolem schwarzen V8 Interceptor kam Beth sich wieder vor wie ein Teenager. Solche Fahrten hätten sie früher zusammen unternehmen sollen, als sie noch zur Schule gegangen waren. Spazieren gehen am Pier, Händchen halten, Spaß haben. All das war ihnen entgangen.
Aber in Beths Leben ging eben nie etwas nach Plan. Nachdem sie nun ihren Job verloren hatte, wusste sie nicht einmal mehr, wie sie die Miete für ihre Wohnung zahlen sollte. Ein paar Wochen würde sie finanziell noch überstehen, doch was dann? Sollte sie JD etwa bitten, ihr unter die Arme zu greifen? Oder ihn fragen, ob er bei ihr einziehen wollte? Bei ihm einziehen? Wo wohnte er überhaupt? Bisher hatte er kaum etwas darüber verlauten lassen, wo er all die Jahre gesteckt und was er gemacht hatte. Angeblich war er die meiste Zeit herumgereist.
Im Radio liefen schon während der gesamten Fahrt Weihnachtslieder. Zwischendurch kamen immer wieder die neusten Nachrichten. Falls sie stimmten, lebte der Bourbon Kid noch. Vielleicht um die schlimmen Neuigkeiten abzumildern oder wegen des Schnees draußen, schienen die Leute vom Lokalsender in verfrühte Adventsstimmung verfallen zu sein. Dabei war Halloween erst einen Tag her.
Seit Have yourself a merry litte Christmas mit Judy Garland hatte JD nichts mehr gesagt. Der Moderator quatschte in das Ende des Songs. Beth erkannte seine Stimme. Es war Mad Harry Hunter, eine lokale Radiogröße, der die nervige Angewohnheit hatte, jede einzelne Silbe lang zu ziehen. Wie er verkündete, suchte die Polizei nach Aushilfskräften, denen ein fürstliches Gehalt winkte, bis man richtige Polizisten von außerhalb rekrutieren konnte.
Beth überlegte. Sollte sie sich zum Polizeidienst melden? »Vielleicht sollte ich mich da bewerben?«, fragte sie JD , weil sie gern seine Meinung dazu hören wollte, bevor sie eine endgültige Entscheidung traf.
»Scheiß auf die Polizei. Das sind alles korrupte Arschlöcher«, murmelte er, ohne die Augen von der Straße abzuwenden.
Die holperige Straße war mit vereisten Pfützen und Schlaglöchern übersät, was die Fahrt noch gefährlicher machte als sonst schon. Dass auf beiden Seiten Autos parkten, machte es nicht besser, weil so in der Mitte nur ein schmaler Streifen übrig blieb. Man konnte den Schlaglöchern kaum ausweichen. Glücklicherweise herrschte allerdings kaum Verkehr.
»Die scheinen ganz schön verzweifelt zu suchen«, fuhr Beth fort. »Und ich bin arbeitslos. Wenigstens für ein paar Tage wäre das vielleicht gar nicht so übel.«
»Ja, ja.«
JD schien sich nicht gerade brennend für die Sache zu interessieren, aber Beth redete trotzdem weiter. »Der Bourbon Kid hat gestern Nacht eine Menge Polizisten ermordet. Jetzt sind die Straßen nicht mehr sicher.«
»Die Bullen haben nur bekommen, was sie verdienen.«
Das klang nicht
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