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Das Buch des Vergessens

Das Buch des Vergessens

Titel: Das Buch des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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mit ihr angestellt hat, beschließt sie, ihrem Therapeuten einen Prozess anzuhängen. Steve will die Angelegenheit lieber außergerichtlich regeln und bietet ihr einen Vergleich an, den sie akzeptiert. Laura hat das Gefühl, ihr Leben wieder in der eigenen Hand zu haben. Die Bulimie ist verschwunden.
    Laura Pasleys Geschichte ist eine der vielen vignettenartigen Passagen in Victims of memory von Mark Pendergrast, selbst ein des Inzests beschuldigter Vater.
Anmerkung
Pasley war eine der ersten ›retractors‹, Menschen, die von ihrem Therapeuten in die Irre geführt wurden und in vielen Fällen Prozesse gegen sie eingeleitet haben.
Anmerkung
Es hat Hunderte dieser retractors gegeben, aber es blieb eine vernachlässigbare Anzahl, verglichen mit Zehntausenden von Frauen, die in der Therapie Erinnerungen an lange zurückliegenden Missbrauch ›wiederfanden‹ und ihre Väter, Brüder, Onkel und andere mit Beschuldigungen konfrontierten, häufig gefolgt von einer Anzeige.
    Der Fall Pasley ist nicht in jeder Hinsicht repräsentativ. Die meisten Therapeuten, die Frauen mit dieser Problematik behandelten,waren Frauen. Der Beschuldigte war fast immer ein Mann, meist aus dem Kreis der Familie. Aber sonst ist Pasleys Geschichte das Destillat Tausender ähnlicher Geschichten: Eine Frau mit psychischen Problemen meldet sich zu einer Therapie an, der Therapeut suggeriert einen sexuellen Missbrauch im Hintergrund, Hypnose, Traumdeutung oder Regressionstherapie bringen die ›vergessenen Erinnerungen‹ wieder zurück, die Frau ist nun davon überzeugt, missbraucht worden zu sein, und beschließt, den Täter, sofern er noch lebt, mit ihren Beschuldigungen zu konfrontieren. Die Folge ist ein fast nicht mehr zu kittender Riss in den Familienbeziehungen.
    Ein Fall wie der Pasleys verdeutlicht, dass es kaum möglich ist, solche Fälle in einer neutralen, unvoreingenommenen Sprache zu beschreiben. Das ist ein Hinweis auf den polarisierenden Charakter der Debatte über ›recovered memories‹. Der Begriff ›recovery‹ bedeutet sowohl Gesundung als auch Bergung und enthält eine Voreingenommenheit: Die Vorstellung, es sei tatsächlich möglich, über lange Zeit ›vergessene‹ Erinnerungen ›wiederzufinden‹. Autoren, die dies bezweifeln, sprechen von ›pseudo-memories‹ oder ›false memories‹. Der 1992 in Amerika gegründete Interessenverband fälschlich beschuldigter Eltern entschied sich resolut für den Namen False Memory Syndrome Foundation. Es bleibt eine unglückliche Situation, dass es keinen dritten Begriff gibt, der dieses Problem wirklich neutral darstellt. Verschiedene Monografien nahmen in einem Versuch, keine Partei zu ergreifen, beide Namen in ihren Titel auf.
Anmerkung
In den Niederlanden und in Deutschland bürgerte sich der Begriff ›wiedergefundene Erinnerungen‹ ein, eine genauso wenig neutrale Bezeichnung.
    In die Fälle wiedergefundener Erinnerungen waren viele unterschiedliche Wissenschaften, Instanzen und Disziplinen einbezogen. Psychiatrie, klinische Psychologie, Gedächtnispsychologie, um die Wissenschaften zu nennen, die am ehesten auf der Hand liegen, des Weiteren Versicherungen, Arbeitgeber, Krankenhäuser, geistige Gesundheitspflege, Justiz, Kinderschutz, juristischer Beistand, Opferhilfe – jeder Fall, so intim und persönlich er auch ursprünglich war, brachte ein ganzes Netz gesellschaftlicher Institutionen zum Erzittern.

    Über den Ursprung der ›recovered memories‹-Bewegung sind sich alle Parteien einig. Der liegt im Erscheinen von The courage to heal, 1988 von Ellen Bass und Laura Davis, aktiv tätig als Therapeutinnen in einer grassroots – Bewegung von Frauen mit sexueller Missbrauchsvergangenheit. Sie präsentierten eine Checkliste für Frauen, die sich fragten, ob sie in ihrer Jugend missbraucht worden seien, mit Fragen wie:
    Fühlst du dich manchmal machtlos, wie ein Opfer?
    Fühlst du dich anders als andere Menschen?
    Findest du es schwierig, deine Gefühle zu äußern?
    Hast du Angst, Erfolg zu haben?
    Bist du häufig verwirrt?
    »Ein Ja auf eine oder mehrere dieser Fragen«, schrieben sie, indem sie sich direkt an ihre Leserinnen wandten, »ist ein Hinweis auf traumatische Ereignisse in deiner Jugend, auch wenn du daran momentan keine Erinnerungen hast. Häufig beginnt das Wissen, dass du missbraucht wurdest, mit nicht mehr als einem vagen Vermuten, einer inneren Stimme, höre darauf.«
    Sie seien noch nie einer Frau begegnet, die später festgestellt habe, nicht missbraucht

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