Das Buch Gabriel: Roman
dass sie ebenfalls als Abstellraum genutzt wird, Körbe und Kisten sind dort gestapelt; beim Geräusch meiner Schritte bewegt sich dort etwas.
»Pff – hast du mich erschreckt«, zischt Anna.
»Was machst du? Sei vorsichtig«, sage ich.
»Meine Güte, du siehst ja aus wie Dracula. Schau mal hier unten, wie grauenvoll.« Sie kauert vor einer Teekiste, in die Löcher gestanzt sind. Darin steht eine sehr grazile, kleine Kreatur, vielleicht irgendein seltenes Savannenreh oder eine Miniatur-Gazelle, und scharrt mit den Hufen.
»Was ist hier los?« Sie drückt mein Handgelenk. »Es ist entsetzlich, und guck mal da drüben – da ist auch irgendwas drin, man kann hören, wie es sich bewegt. Was sind das für Leute, was läuft hier, das ist ja wie ein Zoo hier – die drehen doch nachts keine Filme mehr, oder?«
»Das ist schon in Ordnung, sie bleiben nicht lange – komm, wir gehen hoch an die frische Luft. Ist der Cateringwagen noch offen? Wir könnten einen Kaffee trinken.«
»Kaffee? Während die armen Tiere hier drin sind? Schau doch mal, es hat noch nicht mal was zu trinken, nicht zu fassen. Ich gehe hoch und hole Wasser, vielleicht geben sie mir noch ein bisschen Obst oder Brot. Meine armen Kleinen – pass auf sie auf, bis ich zurück bin.«
Kaum ist Anna weg, nähern sich Stimmen durch den Tunnel, begleitet vom Quietschen widerspenstiger Wagenräder und einem unidentifizierbaren Geklapper.
»Was zum Teufel fressen die bloß, dass die so schwer werden?«, grummelt einer.
»Nur Gras vermutlich – aber wer weiß.« Das ist Thomas’ Stimme. »Hol dir besser noch Hilfe, wir sind spät dran – um Viertel vor elf muss sie auf den Beinen und zehn nach elf im Schlachtwagen sein, den Hauptgang dürfen wir unter keinen Umständen vermasseln.«
»Ganz schöne Hektik für etwas, das schon seit hundert Jahren lebt.«
Ich renne Thomas durch den Tunnel entgegen. Beim Anblick der riesigen Kiste bekomme ich Herzrasen und eine schmerzhafte Vorahnung ihres Inhalts. Mein Magen fängt an zu rumoren.
Thomas strahlt mich an: »Wetten, damit hättest du nicht gerechnet? Die Idee ist so großartig, dass wir sie selbst kaum glauben konnten. Wir sind nicht zu hundert Prozent sicher, dass es die Berühmte ist, die sehen ja alle gleich aus – aber zumindest für die Gäste wird sie es sein. Das allerseltenste Lebewesen der Erde. Ein echter Coup.«
Ich stehe da und schüttele den Kopf. Vom Licht angelockt schaut zwischen den Latten des Verschlags ein weises, aber ängstliches altes Auge hervor.
Das Auge einer Riesenschildkröte.
»Unglaublich, was? Und einfacher als erwartet – die Umweltschützer haben die Fischfangindustrie der Eingeborenen zerstört, indem sie alles für tabu erklärt haben, auf Galapagos darfst du noch nicht mal mehr eine Fliege erschlagen. Was bedeutet: Eine Menge helfende Hände unter den Fischern. Anscheinend sind die Viecher hier äußerst essbar, jedes Teil von ihnen ist verwertbar. Als Überraschungsgang machen wir Tempura aus schaumig geschlagenem Hirn an Seeigel-Salat. Aber ich würde gern das Risiko eingehen, sie zunächst im Salon vorzuführen, die Gäste sollen sie noch bei lebendigem Leib sehen.«
Die Odyssee enthüllt einen neuen Kegel, eine neue Konusspitze, ein neues Endspiel, mit dem ich umgehen muss. Meine Gedanken rasen, während ich auf Annas Schritte lausche. »Rollt ihr sie zu den anderen Tieren da hinten hin? Das Mädchen kommt nämlich jeden Moment zurück.«
»Was? Sie muss unbedingt draußen bleiben – wenn nötig, ruf den Sicherheitsdienst.«
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Hirn vom Goldenen Löwenäffchen & Blauschimmelkäse-Ravioli
mit Champagner-Zabaglione & Weißen Piemont-Trüffeln
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Für die Ravioli
Hirn eines Goldenen Löwenäffchens
500 g Ravioli-Teig
100 g höhlengereifter Societé-
Roquefort, kalt
2 Eiweiß
Für die Zabaglione
1 EL Hollandaise
2 EL Fisch-Velouté
2 EL Champagner
1 EL leicht geschlagene Sahne
Weiße Piemont-Trüffeln zum Hobeln
Das Affenhirn frisch entnehmen und in sieben gleichmäßig dicke runde Scheiben schneiden. Den Tierkadaver entsorgen. Den Käse in Scheiben schneiden, die gerade groß genug sind, dass sie jede Hirnportion bis zur Hälfte bedecken, dann aus dem Pasta-Teig tassengroße Kreise ausstechen, die Ränder mit Eiweiß bepinseln. Die Hirnportionen mit Blauschimmelkäse auf je eine Teigscheibe setzen und einen Teigdeckel darauf legen. Die Ränder kräftig zusammendrücken. Jedes Raviolo in sprudelnd kochendem Wasser blanchieren (sehr kurz), dann in mit
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