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Das Buch meiner Leben

Das Buch meiner Leben

Titel: Das Buch meiner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Heamon
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als alle Anwesenden über die Aussicht auf einen richtigen Schneesturm sprachen und sich jeder an den gewaltigen Blizzard von 1967 erinnerte – herrenlose Autos am Lake Shore Drive, unter Schneemassen begraben, Menschen, die durch den Schneesturm wie Flüchtlinge von der Arbeit nach Hause stapften, der Schnee in den Straßen so hoch, dass er bis an die Außenspiegel der Milchlieferwagen reichte. Es gibt viele Katastrophen im Gedächtnis der Stadt, deren Ergebnis eine eigentümlich euphorische Nostalgie ist, nicht unähnlich dem Respekt, den Gangster eines bestimmten Typus in Chicago genießen.
    16. Pakistanische und indische Familien, die an Sommerabenden feierlich auf der Devon Avenue spazierengehen, alte russisch-jüdische Ehepaare auf Parkbänken in Uptown, die sich, untermalt vom Lärm altmodischer Transistorradios, weichkonsonantige Klatschgeschichten erzählen, mexikanische Familien in Pilsen, die sich im Nuevo Leon zum sonntäglichen Frühstück drängen, afroamerikanische Familien, festlich zum Gottesdienst gekleidet, die in der Dixie Kitchen in Hyde Park auf einen Tisch warten, somalische Flüchtlinge, die auf dem Sportplatz der Senn High School in Sandalen Fußball spielen, junge Mütter aus Bucktown, die ihre Yogamatten wie Bazookas auf dem Rücken tragen, der unglaublich bunte Alltag in dieser Stadt, der immer für die eine oder andere Geschichte gut ist.
    17. Der nächtliche Strom von roten und weißen Lichtern am Lake Shore Drive, von Montrose Harbor aus gesehen.
    18. Der Wind: Die Segelboote im Grant Park Harbor tanzen auf dem Wasser, die Leinen klappern hysterisch an den Masten; die Fontäne von Buckingham Fountain verwandelt sich in eine Wasserfeder; Fenster schlagen laut zu; auf der Michigan Avenue ziehen die Leute die Köpfe zwischen die Schultern; meine Straße liegt verlassen da, bis auf einen eingemummelten Postboten und eine Plastiktüte, die in der kahlen Baumkrone wie eine zerfetzte Fahne flattert.
    19. Die vornehmen Villen in Beverly, die trostlosen Reihenhäuser in Pullman, die kalten Gebäude in der Schlucht von LaSalle Street, die auffällige Schönheit der alten Hotels in Downtown, die strenge Arroganz von Sears Tower und Hancock Center, die altmodischen Häuser in Edgewater, die Melancholie der West Side, die verfallene Pracht der Theater und Hotels in Uptown, die Lagerhallen und Autowerkstätten von Northwest, Tausende unbebauter Grundstücke und aufgegebener Gebäude, für die sich niemand interessiert und an die sich niemand erinnern wird. Jedes Haus erzählt etwas von der Geschichte Chicagos. Nur die Stadt kennt die ganze Story.
    20. Wenn Chicago gut genug war für Studs Terkel, der sein ganzes Leben dort verbracht hat, dann ist Chicago auch für mich gut genug.

Wenn es Gott gäbe, wäre er ein zuverlässiger Mittelfeldspieler
    Zunächst ein paar Worte zu mir, obwohl es hier nicht um mich geht
    Für bosnische Verhältnisse war ich sportlich. Obwohl ich jahrelang dreißig Zigaretten pro Tag rauchte, mich schon als Fünfzehnjähriger dem Genuss alkoholischer Getränke hingab und alles andere als ein Vegetarier war, hatte ich seit Ewigkeiten ein-, zweimal die Woche auf den Gassen und Parkplätzen von Sarajevo Fußball gespielt. Doch nach meiner Ankunft in Chicago legte ich, dank der Whoppers und Twinkies, aus denen meine Ernährung bestand, und nach mehreren quälenden Versuchen, das Rauchen aufzugeben, schon bald zu. Und ich fand niemanden, mit dem ich hätte spielen können. Meine Kollegen von Greenpeace betrachteten das Drehen von Joints als sportliche Betätigung und trafen sich nur gelegentlich zu einer lässigen Partie Softball, bei der keine Tore gezählt wurden und alle ihren Spaß hatten. Die Regeln waren mir ein Rätsel, aber ich versuchte hartnäckig, den Punktestand festzuhalten.
    Ich litt darunter, nicht mehr Fußball zu spielen. Es ging mir nicht um meine Gesundheit, denn ich war ja noch jung – Fußballspielen hieß für mich, lebendig zu sein. Ohne Fußball fühlte ich mich orientierungslos, seelisch und körperlich. Im Sommer 1995 radelte ich eines Samstags in Uptown an einem Sportplatz vorbei und sah, wie sich Jungs warmliefen, den Ball herumkickten und auf den Anstoß warteten. Vielleicht waren es zwei Vereinsmannschaften, bei denen man nicht einfach so mitmachen konnte. Doch bevor ich lange über die Aussicht nachdachte, mir eine demütigende Ablehnung einzuhandeln, fragte ich, ob ich mitspielen könne. Na klar, lautete die Antwort, und zum ersten Mal seit einer

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