Das Buch meiner Leben
Bergarbeiter.
Wir flirteten per E-Mail. Ich erklärte ihr sofort meine persönliche Situation, um nicht für einen Hallodri gehalten zu werden. Sie erzählte, dass ihre Großeltern mit Duke Ellington befreundet gewesen waren. Ich schickte ihr eine CD mit Rosemary Clooney und dem Duke Ellington Orchestra. Rasch schrieb ich meinen Beitrag für CITY 2000 mit dem Titel » Warum ich nicht aus Chicago weggehen will – eine unvollständige Liste von Gründen « . Nicht auf der Liste stand, dass Chicago sich nun dadurch auszeichnete, dass Teri dort lebte.
Unser erstes offizielles Date fand im Silver Cloud statt, einer Bar in Bucktown. Verabredet waren wir um Mitternacht, wie im Märchen. Irgendwann ging ich zur Toilette, und als ich wieder herauskam, lief gerade » Here Comes Your Man « von den Pixies. Genau der richtige Song, zu dem ich in meinem Sakko selbstbewusst auf Teri zuschlenderte. Sie fuhr mich nach Hause, ich küsste sie. Jede Zelle in mir – und auch noch andere, die ich längst für abgestorben gehalten hatte – wollte die Nacht mit ihr verbringen, aber ich wusste, dass ich sie nie mehr sehen würde, wenn sie das frittierte Hundefutter roch, die Schamhaarkringel im Badezimmer sah, ihre zarten Füße die Verwahrlosung betraten, in der ich versunken war. Tags darauf würde ich für ein paar Wochen nach Sarajevo reisen, und schon jetzt fehlte sie mir, doch ich bat sie nicht herauf.
Es war die klügste Entscheidung meines Lebens. Bald darauf zog ich in ihre Wohnung in Ukrainian Village. Sie hatte einen Hund namens Wolfie, der unter keinen Umständen auf ihr Bett durfte. Ein Jahr später verlobten wir uns. Ein weiteres Jahr später heirateten wir.
Das Aquarium
Am 15. Juli 2010 brachten meine Frau Teri und ich unsere jüngere Tochter Isabel zur routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung. Sie war neun Monate alt und schien bester Gesundheit zu sein. Die ersten Zähne waren herausgekommen, und nun saß sie mit uns am Esstisch und schaufelte munter Reisflocken in sich hinein. Sie war ein heiteres Kind, das seine fröhliche Art, wie scherzhaft angemerkt wurde, unmöglich von dem mürrischen Vater haben konnte.
Teri und ich gingen immer gemeinsam zu den Arztterminen unserer Kinder, und diesmal nahmen wir auch Ella mit, Isabels große Schwester, die fast drei war. Die Sprechstundenhilfe in Dr. Armand Gonzalez’ Praxis maß Isabels Temperatur, notierte Gewicht, Größe und Kopfumfang. Ella war heilfroh, dass ihr diese Tortur erspart blieb. Dr. G., wie er bei uns hieß, prüfte Isabels Atmung, sah sich Augen und Ohren an. Er lud Isabels Daten auf seinen Computer – sie war etwas untergewichtig, die Körpergröße war im üblichen Bereich. Alles schien in Ordnung zu sein, bis auf den Kopfumfang, der zwei Maßeinheiten über dem normalen Wert lag. Dr. G. schaute besorgt. Er wollte aber keine Kernspintomographie machen und schlug daher für den nächsten Tag eine Ultraschalluntersuchung vor.
Abends war Isabel unruhig und quengelig. Sie konnte nicht einschlafen. Wenn wir nicht bei Dr. G. gewesen wären, hätten wir einfach Übermüdung vermutet, doch nun sahen wir alles mit einem anderen, besorgteren Blick. Ich nahm sie und ging mit ihr in die Küche (sie hatte immer bei uns geschlafen) und sang ihr mein ganzes Schlafliedrepertoire vor – » You Are My Sunshine « , » Twinkle, Twinkle, Little Star « und ein Mozart-Lied, das ich als Kind gelernt hatte und dessen bosnischer Text mir wundersamerweise in Erinnerung geblieben war. Diese drei Lieder, endlos wiederholt, brachten gewöhnlich den gewünschten Erfolg, doch diesmal dauerte es eine Weile, bis sie den Kopf an meine Brust legte und sich allmählich beruhigte. Es schien, als wollte sie mich trösten und mir sagen, dass alles gut sei. In meiner Nervosität stellte ich mir vor, dass ich mich eines Tages an diesen Moment erinnern und anderen Leuten erzählen würde, wie Isabel mich beruhigt hatte. Meine Tochter hat sich um mich gekümmert, würde ich sagen, obwohl sie erst neun Monate alt war.
Am nächsten Morgen wurde die Ultraschalluntersuchung gemacht. Isabel lag während der ganzen Prozedur weinend in Teris Armen. Wir waren kaum nach Hause zurückgekehrt, als Dr. G. anrief und sagte, dass Isabel einen Wasserkopf habe und sofort ins Krankenhaus müsse – es sei dringend.
Das Untersuchungszimmer im Chicagoer Kinderkrankenhaus, in dem die Computertomographie stattfinden würde, war abgedunkelt, und die Ärzte hofften, Isabel würde bald einschlafen, um sie nicht in
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