Das Buch Ohne Gnade: Roman
saß am Fußende ihres Bettes.
»Wie geht es ihnen?«, wiederholte er seine Frage.
»Wer sind Sie? Wie komme ich hierher?«, fragte sie und fürchtete sich gleichzeitig vor der Antwort.
»Es sah so aus, als hätte jemand versucht, Sie zu töten«, erwiderte der Mann lakonisch.
Emily erinnerte sich schlagartig an den Moment, als sie plötzlich Gabriel, dem Biker, gegenüberstand. Sie entsann sich, ihn mit einem Dampfbügeleisen angegriffen und niedergeschlagen zu haben. Als Fluchtplan hatte es nicht so gut funktioniert, wie sie gehofft hatte. Dann hatte er sie zu Fall gebracht und zweimal ihren Kopf auf den Fußboden geschmettert. Danach war alles ein wenig verschwommen. Wie kam es, dass jetzt ausgerechnet dieser Mann bei ihr war? Und welche Absichten verfolgte er?
»Was ist passiert? Ich weiß noch, dass ich mit diesem Rockertypen gerungen habe …« Sie erinnerte sich, Gabriels Gesicht dicht neben ihr auf dem Teppich gesehen zu haben. Und daran, wie seine Augen sie für eine Sekunde blicklos angestarrt und sich dann verdreht hatten. »Was ist mit ihm geschehen? Ist er tot?«
»Ich habe ihm einen Kopfschuss verpasst. Also ja, höchstwahrscheinlich.«
»O mein Gott.«
Emily hielt nichts von Gewalt ungeachtet des Dampfbügeleisen-Vorfalls. Und sie hatte für Mord absolut nichts übrig. Im Augenblick jedoch konnte sie nur daran denken, wie unglaublich cool es war, neben einem Mann zu sitzen, der jemanden getötet hatte, nur um sie zu retten. So etwas geschah eigentlich nur im Kino.
»Das haben Sie für mich getan?«, platzte sie heraus. Die Schmerzen in ihrem Kopf machten sie noch immer ein wenig benommen. Anderenfalls hätte sie niemals auch nur für einen kurzen Moment ihre Selbstbeherrschung verloren und ihn wissen lassen, was sie dachte.
»Ja.«
»Das ist geil .«
Sobald sie das Wort ausgesprochen hatte, spürte sie, wie ihr Gesicht sich vor Verlegenheit rötete. Sie massierte ihre schmerzende Stirn und benutzte dabei die Hand, um ihre glühenden Wangen zu verbergen. Und um ihre Verwirrung zu kaschieren, stellte sie schnell weitere Fragen. »Aber wer sind Sie? Und warum haben Sie ihn getötet?«, wollte sie wissen.
»Haben Sie schon mal vom Bourbon Kid gehört?«
»Ja. Meinen Sie diesen Verrückten mit einem Alkoholproblem, der unschuldige Leute umbringt? Er ist ein völlig Irrer. Man sollte ihn einsperren und …« ihre Stimme versiegte. »Das sind Sie, nicht wahr?«, sagte sie leise.
»Ja.«
»Tut mir leid.«
»Im Allgemeinen brauche ich keinen besonderen Grund, um jemanden zu töten, aber als ich in Ihr Hotelzimmer kam, sah es so aus, als sei der Typ im Begriff, Sie umzubringen. Er zielte mit einer Pistole auf Ihren Kopf.«
»O mein Gott.« Emily erinnerte sich an das Gefühl, als Gabriel ihr seine Pistole gegen den Kopf gedrückt hatte. »Er wollte mich erschießen, nicht wahr?«
»Nein. Das wollte er nicht.«
»Hä?«
»Seine Waffe war nicht geladen. Offenbar wollte er Ihnen nur ein wenig Angst machen.«
Emily presste eine Hand auf ihren Mund. Gabriel war wohl doch nicht so übel gewesen. »O mein Gott, Sie müssen sich schrecklich fühlen, ihn getötet zu haben!«, rief sie aus.
»Nein. Ich hätte ihn sowieso erschossen.«
Emily musterte ihn irritiert. »Warum?«
»Weil es nicht schade um ihn ist.«
»Äh – nun – okay. Wer war er denn? Was hatte er hier zu suchen?«
»Er heißt Gabriel. War wohl so ’ne Art Prediger.«
»Ein Prediger? Warum sollte ein Mann Gottes so tun, als wollte er mich umbringen? Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Die Wege des Herrn sind rätselhaft.« Emily starrte den Kid misstrauisch an. Machte er sich über sie lustig? Seine Miene war ausdruckslos.
»Also, nein so was.« Sie hatte Mühe, das Gehörte zu verarbeiten. Sie massierte erneut ihre Stirn. All dieses angestrengte Nachdenken verstärkte ihre Kopfschmerzen. Aber da war noch etwas, worüber sie unbedingt Klarheit haben wollte. »Hören Sie, wenn ich mich nicht irre, waren Sie, als wir zusammentrafen, nicht besonders freundlich zu mir, daher würde ich gerne verstehen, weshalb Sie mich vor diesem Prediger mit der Pistole beschützt haben.«
»Sie erinnern mich an jemanden. Jemanden, der mir mal sehr nahestand.«
»Eine Freundin?«
»So etwas Ähnliches.«
»Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie sitzt im Gefängnis. Wegen Mordes.«
»Hätte ich mir ja denken können.«
»Wie bitte?«
»Tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint.«
Der Kid sah sie drohend an. »Diese Entschuldigung kam gerade
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