Das Buch Ohne Gnade: Roman
von mir aus den Wettbewerb, aber unterschreiben Sie auf keinen Fall den Vertrag.«
»Nein.«
»Was?«
Emily schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn Ihre Mutter dem Tod geweiht wäre, aber Sie hätten die Chance, ihr Leben noch ein wenig zu verlängern, würden Sie dann nicht alles für sie tun, was in Ihrer Macht steht?«
»Ich habe meine Mutter getötet.«
»Oh.« Für einen Moment war sie zu betroffen, um ein Wort hervorzubringen. Dann redete sie verzweifelt weiter, um ihre Situation zu erklären. »Aber –«
»Kehren. Sie. Nach. Hause. Zurück. Ihre Mutter wird das verstehen.«
In Emily schien irgendetwas zu zerbrechen. »Ja, sie wird mich ganz bestimmt verstehen, während sie in ihrem armseligen Pflegeheim liegt und ihre letzten Atemzüge macht. Und ich kann ihr sagen: ›Ja, tut mir leid, Mom, aber ich habe die Chance, dir zu einer besseren Pflege zu verhelfen, in den Wind geschlagen, weil ein verrückter Säufer mir erzählt hat, ich würde meine Seele dem Teufel vermachen, wenn ich beim Wettbewerb siege.‹«
Der Kid schien von ihrem beißenden Sarkasmus nicht berührt zu werden. »Sie wissen, dass die Show manipuliert wurde«, erwiderte er. »Sie wurden insgeheim gezielt für das Finale ausgewählt. Spielen Sie mir jetzt bloß nicht die Hochmoralische vor.«
Emily hob eine Augenbraue. »Oh, das tut mir aber leid. Wollen Sie mir etwa einen Vortrag über Moral halten?«
»Ja, das will ich.«
»Nun, das ist schon ein starkes Stück. Ich meine, dass es ausgerechnet von Ihnen kommt. Haben Sie Nachsicht mit mir, wenn ich nicht glaube, dass Sie die ideale Besetzung für jemanden sind, der über andere Menschen zu Gericht sitzt.« Ihre Stimme wurde weicher. »Sehen Sie, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie vielleicht mein Leben gerettet haben und was sonst noch alles, aber ich muss diese Show gewinnen. Das bedeutet alles für mich. Deshalb tut es mir leid, aber ich werde im Finale singen. Davon können Sie mich nur abhalten, wenn Sie mich töten. Also treffen Sie Ihre Wahl. Entweder lassen Sie mich aus diesem Zimmer raus oder ziehen Sie Ihre Pistole und erschießen Sie mich. Ich habe keine Angst zu sterben, müssen Sie wissen.«
»Doch, die haben Sie.«
»Habe ich nicht. Ich habe noch nie Angst davor gehabt, für etwas zu sterben, woran ich glaube.«
Der Bourbon Kid griff mit einer Hand in seine Jacke. »Okay. Dann lassen Sie mir keine andere Wahl.«
VIERZIG ♦
Sanchez wollte es niemandem gegenüber zugeben, aber er war äußerst gespannt auf die bevorstehende Namensnennung der Interpreten, die es unter die fünf Finalisten des Back-From-The-Dead -Gesangswettbewerbs geschafft hatten. Er hing zusammen mit Elvis hinter der Bühne herum und beobachtete all die anderen Konkurrenten, während sie voller Nervosität darauf warteten, auf die Bühne gerufen zu werden, um ihr weiteres Schicksal zu erfahren.
Es war eine wirklich bunte Mischung von Teilnehmern. Sie reichte von denen, die genauso aussahen wie die Sänger, die sie darstellten, bis hin zu absolut durchgeknallten Freaks. Der beste war Freddy Mercury, der total überzeugend aussah. Er trug eine hautenge weiße Hose mit je einem roten Streifen an den Seiten und dazu eine gelbe Lederjacke über einem schlichten weißen Trikothemd. Sein dichter schwarzer Schnurrbart und die leicht vorstehenden Zähne trugen zu einer Imitation bei, die geradezu gespenstisch präzise ausfiel. Sanchez hatte ihn beim Vorsingen nicht gehört, aber wenn seine Stimme seiner äußeren Erscheinung entsprach, gehörte er sicherlich in die engere Wahl.
Am anderen Ende des Spektrums befanden sich einige nur wenig überzeugende Verrückte. Vor allem einer fiel unter ihnen auf: ein Zwerg namens Richard, der sich für seine äußere Erscheinung und seinen Auftritt Jimi Hendrix zum Vorbild genommen hatte. Sein Kostüm bestand aus einer engen schwarzen Hose, hochhackigen Stiefeln und einem weißen Oberhemd unter einem purpurrotenMantel. Zu seinem Pech hießen andere Konkurrenten ebenfalls Richard. Infolgedessen hatten die Leute ihm zur besseren Unterscheidung den Spitznamen Little Richard verpasst, was ihn sichtlich verärgerte. Da war auch ein Frank-Sinatra-Double mit einem breiten weißen Wundpflaster auf seiner Nase, der zwischen den anderen Wartenden herumirrte und lautstark klagte, dass man ihm seinen Hut gestohlen habe.
Was Sanchez’ Interesse jedoch ganz besonders erregte, war das Verhalten von Julius, dem James-Brown-Imitator. Könnte dieser Typ wirklich der dreizehnte
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