Das Buch Ohne Gnade: Roman
gegenüber. Keine der beiden war sonderlich intelligent, aber sie hätten schon außerordentlich dumm sein müssen, wenn sie seine schlechte Laune nicht auf Anhieb registriert hätten. Sie warteten geduldig, dass er die Hände vom Gesicht nahm. Als er es tat, fiel sein Blick als Erstes auf Candys enge weiße Lederjacke. Je weiter der Tag voranschritt, desto größer erschien die Gefahr, dass ihre Brüste heraussprangen. Der Anblick lenkte ihn nur wenig mehr als fünf Sekunden lang ab. Lucindas hellgelbes Kleid fiel ihm ins Auge und erinnerte ihn an ihre Anwesenheit, daher wendete er den Blick von Candys Busen ab und sah die beiden Frauen direkt an.
»Nun, wollen Sie uns nicht verraten, was das Problem ist?«, fragte Lucinda um einiges kampflustiger, als sie beabsichtigt hatte. Sie mochte Powell nicht besonders, aber sie nahm sich vor ihm in Acht. Überdies zahlte er ihr eine großzügige Gage.
Der Hotelbesitzer blies die Backen auf. Er ließ seinen Blick zwischen den Frauen hin und her wandern, um sicherzugehen, dass sie seine Besorgnis mitbekamen.
»Wir haben drei unserer Finalisten verloren«, sagte er düster.
»Verloren?«, fragte Lucinda. Aus seinem Munde klang es, als hätten sie etwas falsch gemacht.
»Sie sind tot. Jemand hat sie ermordet.«
Candy machte ein verwirrtes Gesicht. Nigel wusste, dass sie beträchtlich cleverer war, als die Leute ihr zugestanden, aber im Grunde entsprach sie trotzdem der Klischeevorstellung von einer naiven Blondine.
»Was? Wer? Welche?«, fragte sie.
»Kurt Cobain, Otis Redding und Johnny Cash sind nicht mehr dabei.«
»O mein Gott. Was ist mit den beiden anderen?«, fragte sie. Ihre Aufgeregtheit erhöhte den Druck auf ihren Jackenreißverschluss sichtlich.
»Ich habe dafür gesorgt, dass sie bewaffneten Schutz erhalten«, erwiderte Powell ein wenig wichtigtuerisch. »Ich glaube, einer der anderen Konkurrenten hat irgendwie herausbekommen, wer die fünf Finalisten sein würden, und daraufhin einen Berufskiller angeheuert, um sie aus dem Weg zu räumen.«
Lucinda schüttelte den Kopf. »Mann, das ist doch Wahnsinn. Ich habe niemandem erzählt, wer im Finale antreten wird.«
»Ich auch nicht«, fügte Candy eilig hinzu.
Linda beugte sich über den Schreibtisch. »Haben Sie irgendeine Idee, wer hinter diesem ganzen Scheiß steckt?«, wollte sie von Powell wissen.
»Das weiß ich nicht. Der Berufskiller und der Typ, der ihn engagiert hat, wurden vor ein paar Stunden von einem anderen Profikiller hoppgenommen. Er und zwei Angehörige des Sicherheitsdienstes sind mit ihnen in die Wüste hinausgefahren, um sie kaltzumachen, aber die drei sind noch nicht zurückgekommen. Und im Augenblick kann ich sie auch nicht erreichen.«
»Du lieber Himmel!«, jammerte Lucinda laut. »Was zum Teufel sollen wir jetzt tun? Den Wettbewerb absagen?«
Powell schüttelte den Kopf. »Hm, hm. Wie es so schön heißt, die Show muss weitergehen. Wir müssen nur einen Ersatz für die drei toten Sänger finden.« Er sah die beiden Frauen nacheinander fragend an. »Irgendwelche Vorschläge? Wir haben ungefährzwei Minuten Zeit, um uns zu entscheiden. Ich will, dass dieses Finale so bald wie möglich beginnt. Dieses Jahr entwickelt sich die ganze Geschichte zu einem einzigen Albtraum. Also welche drei Nummern ziehen wir in die engere Wahl? Wer hat dem Publikum am besten gefallen?«
Lucinda hatte eine Idee. »Warum sucht sich nicht jeder von uns einen Kandidaten aus? Das klingt doch fair, oder?«
Powell zuckte die Achseln. »Ja, das ist mir recht. Also Candy, wen wollen Sie im Finale haben?«
Candy riss überrascht die Augen auf. »Ich soll in diesem Moment irgendeinen Namen nennen?«
»Nein, ich möchte, dass Sie einen Namen nennen, so schnell oder langsam wie Sie wollen. Bitte vergessen Sie meine Bemerkung, dass wir nur zwei Minuten Zeit haben.«
»Werden Sie jetzt sarkastisch?«
»Ja. Clever von Ihnen, dass Sie es bemerkt haben.«
»Prima. In diesem Fall bin ich für diesen Elvis-Imitator. Er war richtig süß.«
»Das sollte nicht der Grund sein, um ihn auszusuchen«, schnappte Nigel.
»Sie sagten, jeder von uns könne einen Kandidaten aussuchen, und er ist meine Wahl.«
»Niemals. Sie werden niemanden nur deswegen auswählen, weil Sie auf ihn scharf sind.«
»Nennen Sie mir einen Grund, weshalb ich ihn nicht nehmen soll. Einen Grund, der nicht persönlich ist.«
»Okay. Ich mag ihn nicht. Und zwar mag ich ihn wirklich nicht.«
Candy stieß einen tiefen Seufzer aus. »Na schön«,
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