Das Buch Ohne Gnade: Roman
haben musste, als sie ihn mit dem Bügeleisen niedergeschlagen hatte.
»Das war wirklich verdammt dämlich«, knurrte er wütend. Sie blickte zu ihm hoch und sah, wie er sich den Hinterkopf massierte, wo sie ihn getroffen hatte.
»Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.«
Der Biker hatte sich offenbar von dem Schlag auf den Kopf vollständig erholt. Er kauerte sich nieder und sie spürte sein Knie in ihrem Kreuz, mit dem er sie auf den Boden presste.
»Ich habe dir die Chance gegeben, am Leben zu bleiben, du Schlampe.«
»ich weiß. Es tut mir leid.«
»Mit ›es tut mir leid‹ lassen sich meine Kopfschmerzen nicht vertreiben. Du gottverdammtes nichtsnutziges Miststück!«
Er stieß ihren Kopf auf den Teppich. Mit seinem Knie gleichzeitig im Kreuz war sie völlig hilflos. Dann hörte sie das Geräusch, vor dem sie sich am meisten fürchtete – Gabriel holte wieder seine Pistole aus der Jacke. Er drückte die Mündung gegen ihren Hinterkopf. Ihre Angst stieg ins Unermessliche. Sie hatte alles total vermasselt. Ihm das Bügeleisen gegen den Kopf zu schmettern war einfach dumm gewesen. Und unnötig. Obgleich sie es, dachte sie flüchtig, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit abermals tun würde, allerdings dann um einiges kräftiger.
»Nicht besonders angenehm, wenn einem kalter Stahl gegen den Hinterkopf gedrückt wird, nicht wahr?«, knurrte Gabriel. Er stieß den Pistolenlauf heftiger gegen ihren Schädel. »Na, wie fühlt sich das an? Hä? Ganz schön unangenehm, nicht wahr?«
»Ja. Es tut mir leid.« Emily begann zu schluchzen. »Es tut mir so schrecklich leid.«
»Ja, es tut dir verdammt noch mal leid. Nun, du hattest deine Chance!« Mit der freien Hand griff er in ihr Haar und riss ihren Kopf ein paar Zentimeter vom Teppich hoch. »Verdammt noch mal, ich habe dir einen verdammten Gefallen getan!«
Er stieß ihr Gesicht auf den Fußboden. Ihre Stirn schlug zuerst auf und bewahrte ihre Nase davor, die volle Wucht des Aufpralls aufzufangen. Trotzdem tat es höllisch weh. Sie war benommen. Abermals riss Gabriel ihren Kopf an den Haaren hoch und stieß das Gesicht erneut nach unten. Emily verspürte Übelkeit. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie würde sterben und sie hatte ihre Mutter im Stich gelassen. Sie spürte die Mündung von Gabriels Pistole wieder an ihrem Hinterkopf. Sie schrie vor Schmerzen auf. Dann vernahm sie ein metallisches Klicken. Er hatte die Pistole entsichert. Das war’s.
Sie schloss die Augen und wartete auf den Moment der Wahrheit. Wie würde es sich anfühlen? Wie lange, nachdem die Kugelin ihren Schädel eingedrungen war, müsste sie die Schmerzen ertragen?
Während diese Fragen und eine Million anderer Gedanken durch ihren Kopf rasten, hörte sie ein überlautes Krachen hinter sich. Die Mündung von Gabriels Pistole drückte nicht mehr gegen ihren Hinterkopf. Das war der Moment.
BANG !
Sie hörte deutlich den Schuss, ein Knall, der sie in der Enge des Zimmers taub werden ließ. War dies das Gefühl, wenn man erschossen wurde? Oder tot war? Sie spürte nichts. Sie fühlte sich so wie immer. Sie fühlte – Moment mal. Soweit sie feststellen konnte, war sie immer noch am Leben und atmete. Was zum –?
WACK !
In ihrem benommenen Zustand drehte sie den Kopf und schaute nach links. Gabriels Gesicht tauchte auf, verschwamm, erschien wieder. Sie konzentrierte sich darauf und erkannte, dass er neben ihr auf der Seite lag und sie anstarrte. Sie blickten einander in die Augen. Dann beobachtete Emily, wie Gabriels Augen sich langsam verdrehten.
Sie lag noch immer ausgestreckt auf dem Teppichboden und hatte keine Ahnung, was geschehen war. Blut sickerte aus Gabriels Kopf. Es kroch über den Teppich auf sie zu.
Dann, ohne Vorwarnung, verstärkte sich das Gefühl der Benommenheit um ein Vielfaches. Sie hob den Kopf, um hinter sich zu schauen. Über ihr und der Leiche Gabriels stand der Mann in Schwarz, den sie früher am Tag gesehen hatte. In einer Hand hielt er eine Pistole, aus deren Mündung bläulicher Rauch zur Decke aufstieg. Während sie das Bewusstsein verlor, begriff sie, dass der Mann, den die Welt als den Bourbon Kid kannte, gekommen war, um sie zu retten.
Und Gabriel den Hinterkopf weggeschossen hatte.
ACHTUNDDREISSIG ♦
Nigel Powell saß in seinem Büro am Schreibtisch und hatte den Kopf in die Hände gestützt, sodass seine Finger die Augen bedeckten. Seine Hilflosigkeit war offensichtlich. Seine beiden Mitjuroren, Lucinda und Candy, saßen ihm
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