Das Buch Ohne Gnade: Roman
kaschierte seine Verwirrung über diese letzte Wende der Ereignisse. Demnach war Gabriel tot und Sanchez war verschwunden. Elvis musste nachdenken. Was ging hier vor? Und während er mit der Hand Janis Joplins Hintern tätschelte, kam ihm eine andere Frage in den Sinn. Konnte es sein, dass die gute alte Janis keinen Schlüpfer trug?
Während Elvis nach Antworten auf all diese wichtigen Fragen suchte, verließ Freddie Mercury die Bühne und kam zu ihnen herüber. Ein breites Lachen lag auf seinem Gesicht, da er die Freude über seinen Auftritt, die er mit ihnen teilen wollte, nicht verbergen konnte.
»Donnerwetter, habt ihr das gehört?«, fragte er sie. »Sie meinte, ich sei bis jetzt der Beste gewesen.«
»Schön für dich. Glückwunsch«, sagte Emily.
» MISTBOCK !«, schrie Janis.
»Sie findet dich auch gut«, sagte Elvis zu Janis’ Verteidigung.
»Danke«, sagte Freddie. »Wer ist überhaupt der Nächste?«
Elvis schaute sich suchend um. »Das sollte dieser Blues-Brother-Typ sein. Ich kann ihn aber nirgendwo sehen.«
Er fixierte Emily einige Sekunden lang nachdenklich, ehe er leise hinzufügte: »Vielleicht ist er ebenfalls verschwunden.«
SIEBENUNDVIERZIG ♦
Invincible Angus’ Blicke wanderten durch die Küche. In dem Raum herrschte ein totales Durcheinander, als hätte das Personal wegen einer Feuerübung alles überstürzt stehen und liegen lassen. Stählerne Rolltische standen verstreut herum, Küchenutensilien bedeckten die Arbeitsflächen. Lebensmittelreste, Saucen und Mehl waren überall zu sehen. Dazwischen standen hohe stählerne Rollwagen voller etagenartig angeordneter Tabletts. Und in der Luft lag ein Geruch, als sei hier jemand gestorben, doch wahrscheinlich war es nur verdorbenes Fleisch.
Der Zustand der Küche war jedoch unwichtig. Für Angus ging es vordringlich darum herauszubekommen, wo dieser Feigling Sanchez sich versteckte. Er brauchte nur für einige Sekunden still stehen zu bleiben, sich umzusehen und zu lauschen. Mit ein wenig Glück würde sich die Frage nach Sanchez’ Verbleib schon bald von selbst beantworten.
Und sie tat es.
In der nächsten Ecke, etwa zehn Meter von ihm entfernt, konnte Angus eine große Stahltür erkennen, die aussah, als führte sie in einen begehbaren Kühl- oder Gefrierschrank. Er hatte sie während seines ersten Rundblicks nicht beachtet, weil er annahm, dass Sanchez bestimmt nicht so dumm wäre, sich in einer derart offensichtlichen Falle zu verstecken. Aber wenn er daran dachte, wie der fette kleine Bastard sich im Verlauf des Tages selbst ausgeschaltet hatte, als er versuchte, eine Pistole abzufeuern, erschien es absolut logisch. Sanchez war ein Idiot und zweifellos dämlichgenug, sich in einen Raum zu flüchten, der nur einen einzigen Zugang hatte.
In diesem Moment entdeckte Angus den entscheidenden Beweis. Auf dem Fußboden vor der Stahltür glänzte eine kleine Blutpfütze. Eine genauere Untersuchung zeigte, dass eine Spur von der Tür, durch die er aus der Bar hereingekommen war, bis zu dieser Stelle führte. Er musste Sanchez mit der Kugel getroffen haben, die er durch die Glastür in die Hotelhalle gefeuert hatte. Die Spur verlief von der Tür zur Bar bis zu der Blutpfütze vor der Stahltür, wo sie abrupt endete.
Eigentlich schade, dass es so einfach ist , dachte er und grinste.
Auf leisen Sohlen folgte Angus der Blutspur und gab sich alle Mühe, kein Geräusch zu verursachen. Er blieb vor der Tür stehen und presste ein Ohr an den kalten Stahl. Kein Laut war drinnen zu hören. Er streckte die Hand nach dem großen Türgriff aus und zog langsam daran. Er stand unter Federspannung und sprang ihm regelrecht in die Hand, während sich die Tür ein wenig öffnete. Er wurde noch vorsichtiger, weil immerhin die Möglichkeit bestand, dass Sanchez sich auf irgendeine Art und Weise bewaffnet hatte. Sehr langsam und in einer möglichst sicheren Position bleibend, fasste er den Türgriff und zog die Tür vollends auf.
Niemand stürmte heraus. Er reckte den Kopf vor und lauschte. Noch immer nichts. Er trat vorsichtig in die Türöffnung, blieb dicht hinter der Schwelle stehen und zielte mit der Pistole ins eisige Innere eines, wie er jetzt erkannte, begehbaren Gefrierschranks.
In der Kühlkammer herrschte ein leichter Nebel, der die Sicht erschwerte, aber er konnte drei deckenhohe Regale erkennen, die durch schmale Gänge voneinander getrennt waren und auf deren zahlreichen Brettern Kartons und Säcke voller Lebensmittel lagerten.
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