Das Buch Ohne Gnade: Roman
Süden verriet.
»Sicher. Sanchez Garcia. Ich habe bei dieser Umfrage gewonnen.« Sanchez fummelte ein paar Sekunden lang in der Innentasche seiner braunen Wildlederjacke herum, ehe er schließlich den mittlerweile leicht zerknitterten Brief herausholte, der bestätigte, dass er einen Aufenthalt in dem Hotel gewonnen hatte, indem der ziemlich aufregend klingende Back-From-The-Dead -Gesangswettbewerb stattfinden solle. Er reichte den Brief der Empfangsdame, die einen kurzen Blick darauf warf und sofort auf die Tasten des Keyboards vor ihr einzuhämmern begann. Während er darauf wartete, dass sie seinen Aufenthalt bestätigte und ihm seinen Zimmerschlüssel aushändigte, hörte er hinter sich die Stimme von Annabel de Frugyn. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie ihn nicht entdeckte und zu ihm herüberkam und den falschen Eindruck erweckte, sie gehörten zusammen.
»Ah, da sind Sie ja, Sanchez, ich dachte schon, ich hätte Sie verloren.« Ihre Stimme hatte einen entsetzlichen gurrenden Unterton.
Verdammt! Er wandte sich um und sah die lächerliche, schlecht gekleidete, silberhaarige alte Hexe mit einem Gepäckwagen, auf dem sich ihre drei Koffer türmten, hinter sich stehen.
»Ja. Wir sind wohl dahinten getrennt worden«, sagte er. »Ich dachte, ich suche hier nach Ihnen.«
»Nun, da bin ich.« Sie lächelte auf eine Weise, die sie offenbar für kokett hielt. Verliebt, aber irgendwie unpassend; die Wirkung war allenfalls grotesk.
»Vielleicht sollten wir uns wieder trennen? Ich fand es aufregend, überall nach Ihnen zu suchen.«
Annabel versetzte ihm einen freundschaftlichen Knuff in die Seite und sah ihn mit großen Augen an.
»Aber Sanchez! Sie sind einfach unmöglich.«
Die Empfangsdame neben der jungen Frau, die Sanchez bediente, hatte soeben ihren letzten Gast abgefertigt und wandte sich an Annabel. »Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?«
»Ja. Das können Sie bestimmt, junge Dame. Annabel de Frugyn. Ich habe ebenfalls gewonnen.«
Erleichtert, dass Annabel zu der anderen Empfangsdame ging, wandte Sanchez seine Aufmerksamkeit wieder der jungen Frau zu, die ihn bediente. Sie musterte ihn mit einem Blick, als wollte sie sich bei ihm entschuldigen. Es war ein Blick, den Sanchezin seinem Leben schon viel zu oft gesehen hatte, vor allem bei schönen Frauen. Irgendetwas stimmte nicht. Er konnte es spüren.
»Es tut mir leid, Mister Garcia«, sagte sie, »aber wir haben Sie nicht in unserem Computer.«
»Wie bitte?«
»Aus irgendeinem Grund haben wir für Sie kein Zimmer reserviert. Ihr Brief ist zweifellos echt, aber wir haben kein Zimmer, das auf Ihren Namen gebucht wurde.«
»Aber Sie haben doch noch freie Zimmer, oder?«
»Ich fürchte nein, Sir. Das Hotel ist vollständig ausgebucht.«
Sanchez spürte, wie er mit den zähnen knirschte. »Was zum Teufel soll ich jetzt tun? Das ist hier das einzige beschissene Hotel in der Umgebung.«
»Sir, würden Sie bitte Ihren Ton mäßigen?«
»Nur wenn Sie aufhören, sich wie eine zickige Schlampe aufzuführen.« Seine Stimme wurde deutlich lauter und schriller.
Plötzlich wurde es in der Lobby still, als offensichtlich wurde, dass ein Streit im Gange war, der heftiger zu werden versprach. Sanchez’ Unbehagen steigerte sich, als Annabel sich herüberbeugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte.
»Sie dürfen sich gerne mein Zimmer mit mir teilen, wenn Sie wollen.«
»Sie können mich mal«, schnaubte er zurück.
Die Empfangsdame räusperte sich. »Ich fürchte, das wird Ihre einzige Möglichkeit sein.« Sie hielt kurz inne, ehe sie ein unfreundliches »Sir« hinzufügte.
Sanchez seufzte und fuhr sich mit der linken Hand durch sein fettiges dunkles Haar und griff fester hinein. »Oh, verdammte Scheiße. Das kann doch nicht wahr sein.«
Gerade als es so aussah, als wäre alles verloren und er gezwungen, sich ein Zimmer mit einer ältlichen, wahrsagenden Vettel zu teilen, erklang hinter ihm eine Stimme, die er kannte.
»Yo, Stephie. Der Typ ist ein guter Freund von mir. Gib ihm ein Zimmer.«
Sanchez’ Augen leuchteten auf und er ließ seine Haare los. Er wandte sich um und sah zu seiner Freude den coolsten Typen, den er kannte. Den coolsten Typen auf dem Planeten. Es war Santa Mondegas gefürchtetster Profikiller, Elvis. Ob Elvis sein richtiger Name war oder nicht, war unbekannt, aber er benutzte diesen Namen und kleidete sich entsprechend. Heute trug er ein scharfes goldenes Jackett zu einer schwarzen Hose und einem schwarzen Oberhemd, das nur zur
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