Das Buch Ohne Gnade: Roman
Hälfte zugeknöpft war. Wie immer hatte er seine unvermeidliche supercoole Sonnenbrille auf der Nase und trug sein dunkles Haar im Presley-Stil mit Pomade aus der Stirn nach hinten gekämmt.
Sanchez liebte diesen Knaben und freute sich immer, ihn zu treffen. Was angesichts der Tatsache, dass Sanchez sich fast niemals freute, jemanden zu treffen, für den Inhaber des Tapioca ein enormer sozialer Fortschritt war. Elvis hatte außerdem den Trick raus, immer genau im richtigen Moment aufzutauchen. Bei einer denkwürdigen Gelegenheit vor genau zehn Jahren war Elvis rechtzeitig erschienen, um eine Bande von Vampiren auszuschalten, die sich während eines Gottesdienstes auf Sanchez und andere unschuldige Einheimische gestürzt hatten. Der King war engagiert worden, um für die Kirchgänger eine Gesangs- und Tanznummer aufzuführen, doch als die Vampire begannen, die Versammelten zu terrorisieren, hatte er seine Hüften kreisen lassen und mit der Gitarre auf sie gezielt, um ihnen damit kleine silberne Pfeile in die schwarzen Herzen zu schießen. Dabei hatte er James Taylors »Steamroller Blues« gesungen. Daher war es verständlich, dass Sanchez den King nun mit einem strahlenden Lächeln begrüßte.
»Hey, Elvis. Was treibst du denn hier?«
»Ich bin wegen des Back-From-The-Dead -Gesangswettbewerbs gekommen.«
»Du nimmst daran teil?«
»Darauf kannst du deinen Arsch verwetten. Der erste Preis ist eine Million Dollar! Kann mir diese Gelegenheit doch nicht entgehen lassen, oder?«
»Cool«, sagte Sanchez. Aus seinem Kurzurlaub schien doch noch etwas zu werden. »Kannst du mir zu einem Zimmer verhelfen? Die erzählen irgendeinen Scheiß, von wegen ich sei nicht in ihrem verdammten Computer.«
»Klar. Stephie wird das klären, nicht wahr, Stephie?«
Die hübsche Empfangsdame schien von dieser Idee nicht gerade begeistert zu sein. Andererseits verriet der Ausdruck ihrer Augen, dass sie Elvis zu Füßen lag. Der Kerl hatte einen ganz besonderen Schlag bei Frauen. Sie schienen hinzuschmelzen, wenn er sie nur ansah. Und er hatte eine geradezu hypnotische Kraft, sie dazu zu bringen, alles zu tun, um ihm zu gefallen. Eine Fähigkeit, die Sanchez vollkommen abging.
»Er hat mich gerade Schlampe genannt«, sagte sie und deutete mit einem mürrischen Kopfnicken auf Sanchez.
Elvis schürzte die Lippen. »Wie bitte? Sanchez, du hast doch nicht etwa Schlampe zu ihr gesagt, oder?«
»Hm – ich glaube, das habe ich wohl.«
Elvis versetzte Sanchez eine Kopfnuss. »Nun, dann solltest du dich lieber entschuldigen, und wenn du Glück hast, dann findet Stephie für dich sogar noch ein Zimmer.«
Sanchez brachte so etwas wie ein entschuldigendes Lächeln für die Empfangsdame Zustande. Es sah eher aus wie das Grinsen eines Totenschädels. »Es tut mir leid, dass ich Schlampe gesagt habe«, murmelte er verlegen.
Stephie reagierte mit einem verkniffenen Lächeln. »Ist schon gut. Okay, ein Zimmer haben wir noch. Ein Typ namens Claude Balls hat für gestern reserviert, aber er ist bis jetzt noch nicht angekommen. Sie können sein Zimmer haben.«
»Äh, danke. Vielen, vielen Dank.« Darüber erleichtert, dass man ihm soeben eine Nacht mit Annabel de Frugyn erspart hatte, demonstrierte er einen Anflug von aufrichtiger Dankbarkeit.
Während Stephie den Papierkram erledigte und einen Zimmerschlüssel für ihn suchte, wandte Sanchez sich zu seinem Freund um. »Danke, Elvis. Finde ich richtig nett von dir.«
»Nicht der Rede wert.«
»Nun, ich bin im Wettbewerb ganz klar auf deiner Seite. Wann kommst du auf die Bühne?«
Elvis hörte ihm anscheinend gar nicht zu. »Moment mal. Siehst du diesen Typen dort?«, fragte er und deutete auf einen Mann Anfang vierzig in einem weißen Anzug. »Das ist der Hotelbesitzer, Nigel Powell. Oberster Juror bei dem Wettbewerb. Und außerdem Multimillionär.«
Powell schritt gerade mit zwei athletischen Leibwächtern im Schlepptau zum Empfangspult. Unter seinem weißen Anzugsakko trug er ein schwarzes T-Shirt, was ihm den ziemlich veralteten Don-Johnson-Miami-Vice -Look verlieh. Er hatte das gegelte schwarze Haar zurückgekämmt, zeigte unnatürlich weiße und gleichmäßige Zähne und hatte eine künstliche orange Sonnenbräune, die zu seinem weißen Anzug einen scharfen Kontrast bildete. Die beiden Leibwächter trugen identische schwarze Anzüge mit schwarzen T-Shirts darunter. Beide waren militärisch kurz geschoren und gehörten zu der Sorte Männer, die unwidersprochen jeden Befehl ausführten.
Weitere Kostenlose Bücher