Das Buch Ohne Gnade: Roman
Er blickte nach unten und konnte in der Dunkelheit so eben erkennen, dass sie mit dickem silbergrauem Klebeband gefesselt waren. Als er wieder hochsah, fiel sein Blick auf zwei Sicherheitswachmänner aus dem Hotel, die ihm gegenüber auf der Bank saßen, die an der anderen Innenwand des Wohnmobils befestigt war. Beide Männer trugen die vorgeschriebenen schwarzen Anzüge, die vom Hotel zur Verfügung gestellt wurden. Der Mann, der Sanchez direkt gegenübersaß, hatte dunkles stacheliges Haar und ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte. Sein Namensschild, das Sanchez jetzt lesen konnte, nachdem seine Augen sich an die matte Beleuchtung gewöhnt hatten, wies ihn als Tommy Packer, Chef des Sicherheitsdienstes, aus. Der andere Mann hatte einen kurzen militärischen Haarschnitt. Beide richteten Pistolenmündungen auf ihn. Derjenige, der geredet hatte, war der Dunkelhaarige, Tommy. Der andere sagte nichts, fixierte ihn jedoch wachsam. Und bereit, seine Pistole zu benutzen.
»Bist du okay, Sanchez?«, erkundigte sich eine vertrautere Stimme. Links neben ihm saß Elvis.
»Mein verdammter Schädel tut weh«, klagte Sanchez und sah Mitleid heischend zu seinem Freund.
»Ja. Es scheint, als hättest du dich selbst k.o. geschlagen.«
»Warum sollte ich so etwas tun?«
»Weil du ein verdammter Schwachkopf bist.«
»Oh. Das schon wieder.« Da er für einen Moment vergaß, dass seine Hände gefesselt waren, hatte Sanchez das überwältigende Bedürfnis, seinen Hinterkopf zu massieren. Sein Versuch war erfolglos. Er konnte sich allenfalls seinen Schädel mit dem Klebeband kratzen, mit dem seine Hände zusammengebunden waren. Ein weiterer prüfender Blick verriet ihm, dass Elvis sich in einer ähnlichen Zwangslage befand. Sanchez schaute Tommy fragend an.
»Was geschieht jetzt?«, wollte er wissen.
»Ihr werdet in die Wüste hinausgebracht, wo ihr hingerichtet und verscharrt werdet.«
Sanchez schluckte. »Äh, na ja – ist das wirklich nötig? Ich meine, das Ganze ist doch ein Riesenmissverständnis. Das hast du ihnen doch erklärt, nicht wahr, Elvis?«
»Das habe ich, aber sie wollten es nicht hören, Mann.«
»Oh.« Sanchez konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Oder sein Erschrecken. »Hast du einen Plan, wie du uns aus dieser Lage befreien kannst?«, fragte er Elvis hoffnungsvoll.
»Ja.«
»Cool. Und wie sieht der aus?«
»Meinst du, ich erkläre dir den Plan, während Ernie und Bert da drüben sitzen? Du dämlicher Arsch. Was meinst du, wer ich bin? Du? «
»Ach ja. Richtig. Au weh, mein verdammter Schädel.«
Der Kleinbus kam am Straßenrand zum Stehen und Sanchez hörte, wie vorne der Fahrer ausstieg. Er war von den hinteren Sitzen aus nicht zu sehen, aber Sanchez hörte, wie er um den Wagen herum zur Doppeltür ging, wobei seine Schuhe auf dem Rollsplitt des Highways knirschten. Sekunden später wurden die Türflügel geöffnet. Zu seiner Enttäuschung sah Sanchez Invincible Angus mit zwei Schaufeln in der Hand draußen stehen.
»Okay, Tempo. Alles aussteigen!«, befahl der große Mann.
Sanchez schaute durch die offenen Türen hinaus. Es war dunkel auf dem Highway, das einzige Licht kam vom Vollmond. Die Wüste war zu ihren besten Zeiten ein Dreckloch, aber jetzt war sie ein dunkles, kaltes Dreckloch mit eisigem Wind. Wo am Tag nur Staub und Sand und sterbende Pflanzen gewesen waren, erklangen jetzt raschelnde Laute, ein Quieken und Heulen von unsichtbaren Tieren und tanzenden Schatten.
Die beiden Wachmänner wedelten mit ihren Pistolen in Richtung der Doppeltür und gaben Sanchez und Elvis das Zeichen auszusteigen. Elvis stand auf und sprang aus dem Wagenheck hinaus auf den einsamen verlassenen Highway. Sanchez folgte ihm wie gewohnt, wenn auch mit großer Beklommenheit. Es war ziemlich dunkel im hinteren Abteil des Wagens und als er hinaussprang,schaffte er es, über irgendetwas zu stolpern und mit dem Gesicht auf Invincible Angus’ linker Schulter zu landen, ehe er wie ein nasser Sack zu Boden stürzte.
»Netter Versuch«, sagte Angus lakonisch. »Typisch Profikiller. Die versuchen immer irgendetwas.«
Die beiden Wachmänner folgten Sanchez nach draußen. Tommy bückte sich, fasste den Barbesitzer unter der rechten Achsel und zog ihn vom Boden hoch.
»Bist du sicher, dass dieser Typ ein Berufsmörder ist?«, fragte er zweifelnd.
»Lass dich nicht durch das Aussehen täuschen. Dieser Kerl ist tödlich. Dieses tollpatschige Idiotengetue ist reine Schau«, erklärte Angus kühl.
Elvis
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