Das Buch Ohne Gnade: Roman
mit der Mission an Gabriel weitergegeben. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass Rex ihm zutraute, einen derart wichtigen Auftrag alleine ausführen zu können. Er wollte sich dieses Vertrauens als würdig erweisen. Dies hatte er sich selbst dadurch erschwert, dass er verspätet eintreffen würde, aber er war jetzt kurz vor dem Ziel. Einige Kilometer die Straße hinunter erhellte das Hotel Pasadena den Nachthimmel. Die Zeit des Tötens war nahe.
Gabriel konnte es kaum erwarten, endlich zu beginnen. Die Wut über all das, was seinen Kameraden während der letzten Wochen zugestoßen war, hatte sich in ihm aufgestaut, und er war bereit, ihr freie Bahn zu lassen. Zufälligerweise ergab sich seine erste Gelegenheit dazu um einiges früher, als er erwartet hatte.
Auf der rechten Straßenseite gut fünfhundert Meter vor ihm sah er eine zerlumpte Gestalt auf sich zustolpern. Er verringerte das Tempo seines Bikes von gut neunzig auf beherrschbarere vierzig Stundenkilometer. Mit der rechten Hand zog er eine matt glänzende silberne Pistole aus einem maßgeschneiderten Holster seitlich an seinem Motorrad. Während der Abstand zu der Gestalt, die aus der Wüste auf ihn zuwankte und mit den Armen ruderte, zügig abnahm, zielte er und feuerte.
Der Explosionsknall der Waffe hallte sogar über dem Auspufflärm der Harley als mächtiges Donnern durch die Nachtstille. Das Geschoss schlug mit tödlicher Präzision im Gesicht des Fußgängers am Straßenrand ein.
Guter Schuss , dachte Gabriel, während er an der zusammengebrochenen Gestalt vorbeifuhr. Alles, was an Halloween zu Fuß aus der Einöde des Devil’s Graveyard herauskam, verdiente so gut wie sicher den Tod.
Er verstaute die Pistole in einem Schulterhalfter unter seiner Jacke, bereit, sie bei jedem Passanten, auf den er traf, sofort wieder zu benutzen. Weitere zwei Kilometer die Straße hinunter entdeckte er ein am Straßenrand geparktes Wohnmobil. Ein böses, selbstgerechtes Grinsen breitete sich auf seinem narbigen Gesicht aus.
Seine Nacht des Tötens versprach interessant zu werden.
Hinter ihm am Highway lag der Körper des Mannes, den er niedergeschossen hatte, und kühlte allmählich ab. Sein Hinterkopf fehlte und seine dunkle Uniform war staubig und mit Blut besudelt.
So endeten das Leben und die allzu kurze Polizeikarriere von Johnny Parks.
FÜNFUNDZWANZIG ♦
Jacko sah von der Bühnenseite zu, wie ein Frank-Sinatra-Imitator von der Jury heftig eins auf den Deckel bekam. Sinatras Vortrag hatte ziemlich unsicher begonnen und war im späteren Verlauf immer schlechter geworden. Er leistete sich gleich am Anfang einen dicken Patzer, indem er bei seiner Interpretation von »My Way« fälschlicherweise die Textzeil. »I know the end is near« sang. Danach hatten seine Stimme und seine Erinnerung an den richtigen Text ihn vollständig im Stich gelassen. Zeitweise jaulte er wie eine ertrinkende Katze, und an einer besonders wichtigen Stelle schien er plötzlich Flämisch zu singen. Seine Darbietung beendete er schließlich mit einem entsetzlichen Hustenanfall.
Jacko hatte seinen Namen bei den Organisatoren der Show zehn Minuten, bevor Sinatra auf die Bühne ging, eingetragen. Sie hatten sich bereit erklärt, ihn als Letzten auftreten zu lassen, wenn er sich ein besseres Kostüm beschaffte als den roten Lederanzug, den er trug. Es war schwierig gewesen, sie davon zu überzeugen, dass er einen Blues-Brothers-Song zum Besten geben wollte, vor allem weil er überhaupt nicht wusste, welchen Titel er singen wollte. Aber sie hatten ihm die Teilnahme sehr wahrscheinlich nur deshalb gestattet, weil sie dachten, er wäre einer der unterhaltsamen Freaks.
Seit er sich im Bereich hinter der Bühne aufhielt, wo sich der Bourbon Kid mit ihm treffen wollte, hatte er drei Auftritte mitbekommen. Sie waren ausnahmslos schrecklich gewesen. Aber jetzt, während er miterlebte, wie Frank Sinatra von der Jury förmlichzertrümmert wurde, war er der letzte Konkurrent, dessen Auftritt bevorstand. Er sollte innerhalb der nächsten zwei Minuten auf der Bühne erscheinen und er hatte noch immer nicht das Blues-Brothers-Kostüm, das der Bourbon Kid ihm versprochen hatte. Die Bemühungen des Kid, einen passenden Anzug zu finden, nahmen mehr Zeit in Anspruch, als Jacko erwartet hatte, was nicht unbedingt schlecht war. Falls der Kid nicht mit seinem Anzug auftauchte, dann hätte er eine perfekte Entschuldigung, nicht auf die Bühne zu gehen und zu singen. So wie es im Augenblick aussah, könnte er als
Weitere Kostenlose Bücher