Das Buch Ohne Gnade: Roman
für den Fall, dass ich eine ganze verdammte Armee ausschalten muss.«
»Äh – okay. Ich habe nur so dahergeredet. Für eine Pistole sieht das Ding wirklich niedlich aus. Haben Sie diese – äh – beiden Wachmänner wirklich damit getötet?«
Gabriel wirkte für einen kurzen Moment überrascht, als hätte er sie längst vergessen. »Scheiße, ja. Können Sie mir helfen, dieLeichen hier reinzuschaffen? Ich kann sie schlecht draußen herumliegen lassen. Jemand könnte sie finden.«
»Klar. Warum nicht.« Emily konnte sich kaum weigern. Sie hatte noch immer nicht die Zeit gehabt, sich über diesen seltsamen Fremden eindeutig klar zu werden. Er war ein Mörder und aus diesem Grund, diesem Grund alleine, würde sie tun, was er befahl. Ob er doch einer von den Guten war, denen man trauen konnte, müsste sich erst noch erweisen.
Gabriel ging zur Zimmertür und öffnete sie. Emily sah, wie er den Blick durch den Korridor schweifen ließ. Die toten Wachmänner lagen ausgestreckt mitten im Flur. Nicht unbedingt diskret, obgleich an beiden Körpern kaum ein Blutfleck zu sehen war. Der Einsatz einer kleinen Schusswaffe hatte sich tatsächlich ausgezahlt. Gabriel bückte sich und packte die ihm am nächsten liegende Leiche unter den Achselhöhlen und begann sie rückwärts gehend ins Hotelzimmer zu schleifen. Sobald er die Schwelle überschritten hatte, zog er die Leiche zu Emily hinüber.
»Sehen Sie zu, dass Sie ihn in den Kleiderschrank schaffen«, empfahl er ihr und deutete mit einem Kopfnicken auf ihr ehemaliges Versteck.
Sie trat hinter den Körper, schob die Arme unter seine Achselhöhlen, verschränkte die Hände vorne auf seiner Brust und begann ihn zum Kleiderschrank zu schleifen. Es war eine enorme Kraftanstrengung für sie, den Körper überhaupt zu bewegen, und sie schaffte es nur, indem sie ihn flach auf den Rücken legte und selbst rückwärts in den Schrank trat.
Emily hatte noch nie zuvor eine Leiche berührt, geschweige, sie über den Fußboden eines Hotelzimmers gezogen. So hatte sie sich ihr Wochenende ganz und gar nicht vorgestellt. Alleine eine Leiche in den Armen zu halten, machte ihr ihre Lage schmerzhaft deutlich. Indem sie aktiv am Geschehen teilnahm, leistete sie, rein technisch betrachtet, Beihilfe zu einem Mord. Mit einem Mörder zusammenzuarbeiten war keinesfalls Emilys Vorstellung von angenehmer Freizeitgestaltung. Egal, was Gabrielgesagt hatte und für wen er angeblich arbeitete, er hatte schließlich zwei unschuldige Männer ermordet. Woher sollte sie wissen, dass er nicht doch die Absicht hatte, sie irgendwann zu töten?
Gabriel verschwand durch die Tür nach draußen in den Korridor, um den anderen Wachmann zu holen. Endlich hatte Emily ein paar Sekunden Zeit, um sich über die Möglichkeiten klar zu werden, die er ihr genannt hatte: Nach Hause zurückkehren und auf die Million Dollar Preisgeld verzichten und sich die Chance entgehen lassen, das zu sein, was sie sich immer gewünscht hatte, oder bleiben und getötet werden.
Sie konnte erkennen, dass es eigentlich kein richtig faires Angebot war. Auch wenn dieser Mann sich höflich verhalten und ihr eine Chance, am Leben zu bleiben, geboten hatte, verlangte er von ihr, dass sie ihren Traum aufgab und jede Chance ungenutzt ließ, die letzten Tage ihrer sterbenden Mutter so schmerzfrei und friedlich wie möglich zu gestalten.
Aus dem Augenwinkel konnte sie das Bügeleisen auf dem Regalbrett im Kleiderschrank sehen. Wenn sie nicht nur im Finale der Show auftreten, sondern auch am Leben bleiben wollte, dann müsste sie es wohl benutzen. Dies war ihre letzte Chance. Wenn sie Gabriel mit dem Bügeleisen niederschlug, könnte sie Nigel Powell und die Polizei dazu bringen, sie vor jedem zu beschützen, der sie zu töten versuchen würde. Sie konnte den Wettbewerb immer noch gewinnen. Und ihrer Mutter die Fürsorge angedeihen lassen, die sie brauchte.
Verdammt noch mal , dachte sie. Es war das Risiko wert.
SECHSUNDDREISSIG ♦
Als Invincible Angus zum Hotel Pasadena zurückkehrte, hatte er sich mindestens zehn verschiedene Methoden ausgedacht, um Sanchez und Elvis zu foltern, zu verstümmeln und am Ende zu töten. Während er darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass diese beiden Wichser ihn bisher siebzig Riesen gekostet hatten, nämlich die noch fehlenden zwanzigtausend von Julius und Powells versprochene fünfzigtausend. Oh, er würde es genussvoll und langsam tun. Er konnte es kaum erwarten, ihre Schmerzensschreie zu hören.
Aber
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