Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
ich glaube ihm. Ich denke, dass er ein aufrichtiger und hilfreicher Knabe ist.«
»Ich denke dasselbe. Sollen wir etwas Alkoholisches trinken, zur Feier?«
Kyle dachte über den Vorschlag nach. Peto brannte unübersehbar darauf, endlich Alkohol auszuprobieren – und wenn er ehrlich mit sich war, verspürte er selbst ebenfalls eine gewisse Neugier. Warum um alles in der Welt also nicht?
»Schön, meinetwegen. Aber nur einen Drink, und niemand außer uns beiden wird je davon erfahren, okay? Es wird unser Geheimnis bleiben.«
»Großartig. Was nehmen wir? Bier oder Whisky … oder Bourbon?«
»Wir werden keinen Bourbon trinken. Gott weiß, was dieser Bourbon mit uns anstellt. Wenn wir in den vergangenen Tagen etwas gelernt haben, dann ist es das: Bourbon ist das Getränk des Teufels. Lass uns ein Bier trinken. Das hat Rodeo Rex ebenfalls getrunken, und er ist ein netter Bursche.«
»Ich denke, unser neuer Freund Dante hat ebenfalls Bier getrunken.«
»Also gut, trinken wir Bier. Ich gehe uns welches holen. Du bleibst hier sitzen und hältst mir meinen Platz frei, Peto.«
»Mach ich.«
Peto war ganz aufgeregt. Er hatte inzwischen einige andere Menschen Alkohol trinken sehen und wusste, dass sie davon fröhlich und ausgelassen wurden, und er konnte es kaum abwarten, es selbst auszuprobieren. Was ihm allerdings nicht bewusst war: In wenigen Minuten würde er einen richtig harten Drink brauchen. Er konnte es nicht wissen, doch auf ihn wartete die größte Überraschung seines (bis dahin) wohl behüteten Lebens.
Die Nightjar Bar hatte zahlreiche stille Ecken und Nischen, wo sich zwielichtige Gestalten verstecken und andere Leute beim Trinken beobachten konnten. Abgesehen davon, dass sie Fremde waren, die ohnedies mehr oder weniger überall verabscheut wurden, neigten Kyle und Peto unwissentlich dazu, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Rodeo Rex hatte sie gewarnt, doch die beiden hatten bisher nicht begriffen, wie ernst es ihm mit dieser Warnung gewesen war.
Nachdem Kyle zur Theke gegangen war, fing eine ganze Reihe ordinärer Gestalten in ihren Nischen an, den naiven jungen Mann abschätzend zu fixieren, der allein am Tisch saß und auf die Rückkehr seines Begleiters wartete. Zwei dieser lauernden Beobachter waren den anderen einen Schritt voraus und lösten sich aus den Schatten. Sie gingen zu Petos Tisch, zogen wortlos je einen Stuhl heran und setzten sich rechts und links von Peto. Beide trugen lange schwarze Mäntel mit hochgeschlagenen Kragen. Beide trugen ebenfalls ungewöhnliche Halsketten mit eingefassten Zähnen, die aussahen, als hätten sie gefährlichen wilden Tieren gehört. Der erste der beiden Männer, ein schmieriger, unrasierter Mistkerl mit langem, strähnigem dunklen Haar, beugte sich vor und ergriff das Wort. Er hatte durchdringende grüne Augen, die tief in die nicht ganz so durchdringenden braunen Augen des jungen Mönchs blickten.
»Schau mal einer an«, sagte er. »Was haben wir denn hier, Milo? Das ist doch der junge Peto, wenn ich mich nicht irre?«
Sein Begleiter beugte sich ein wenig vor, als würde er Petos Gesicht genauer in Augenschein nehmen.
»Ist das so, Hezekiah?«, fragte er mit spöttischer Stimme.
Milo besaß langes, fettiges blondes Haar und war von ähnlicher Gestalt wie Hezekiah, doch seine Augen leuchteten in einem höchst beunruhigenden Rot. Als er sich vorbeugte und Peto angrinste, erhaschte der junge Mönch einen ausgiebigen Blick auf entsetzlich große gelbe Zähne und roch den fauligen Atem. Er war alles andere als beeindruckt von den beiden Gestalten mit ihren ungewaschenen Gesichtern und der abgerissenen Kleidung.
Die beiden sahen aus wie Landstreicher, die auf der Straße lebten. Sie waren unaussprechlich verdreckt, und sie stanken furchtbar. Peto war auf der anderen Seite niemand, der Menschen vorschnell verurteilte, die er nicht kannte. Abgesehen davon schienen sie ihn zu kennen, also gab es keinen Grund, nicht freundlich zu ihnen zu sein – oder doch?
»Woher wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er den mit den grünen Augen, der ihn mit Namen angesprochen hatte.
»Du erinnerst dich nicht an uns, wie?«, erwiderte Hezekiah grinsend.
»Nein. Nein, tut mir leid, ich erinnere mich wirklich nicht.«
»Keine Sorge, Sohn. Dein Freund Kyle erkennt uns bestimmt wieder.«
»Oh. Gut. Dann seid ihr Freunde von Kyle?«
»Ja. Das ist richtig. Stimmt doch, nicht wahr, Milo? Wir sind Freunde von Kyle, richtig?«
»Allerdings, Hezekiah. Wir sind Freunde von Kyle.
Weitere Kostenlose Bücher