Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
hatte eigentlich erwartet, dass er keine fünf Minuten nach ihr eintreffen würde, doch inzwischen waren fünfundvierzig vergangen. Eine Weile hatte sie versucht, sich mit fernsehen abzulenken, doch sie konnte sich auf keines der Programme konzentrieren. Sie hatte versucht, im Zimmer auf und ab zu gehen, doch auch das funktionierte nicht, weil das Zimmer nicht groß genug war. Ein Doppelbett in der Mitte nahm mehr als die Hälfte der Grundfläche ein, und was übrig blieb, war nicht gerade dazu geschaffen, hin und her zu laufen.
Inzwischen war es draußen ziemlich finster geworden, und Kacy bekam allmählich Angst – nicht so sehr um sich selbst, sondern um Dante. Er hatte diese heißblütige Ader, und sie wusste, dass ihn diese Eigenschaft eines Tages in Schwierigkeiten bringen würde, die eine Nummer zu groß für ihn waren. Sie wusste, wie gefährlich es in Santa Mondega war, doch gelegentlich hatte sie den Eindruck, als hätte Dante nicht die geringste Ahnung. Manchmal war er geradezu furchterregend furchtlos, ohne jeden vernünftigen Grund. Sie liebte ihn dafür, doch es war ihr zugleich unheimlich.
Sie hatte für eine scheinbare Ewigkeit durch die offenen Fensterläden nach draußen gestarrt, ohne irgendetwas zu erkennen, als sich endlich ein Wagen näherte. Zuerst konnte sie nur die Scheinwerfer sehen. Es waren keine gewöhnlichen Scheinwerfer, so viel schien sicher. Kacy wusste nicht viel über Autos, doch wenn sie hätte raten müssen, hätte sie gesagt, diese Scheinwerfer passten zu einem Cadillac. Womit sie goldrichtig gelegen hätte. Sie tätschelte sich innerlich auf die Schulter, als sie sah, dass es tatsächlich ein Cadillac war. Ein hellgelber Cadillac, nach dem, was sie sehen konnte. Das Motelzimmer befand sich im Erdgeschoss, und so hatte sie einen guten Ausblick auf den sich nähernden Wagen. Er rollte langsam bis zu ihrem Zimmer, und der gelbe Lack glänzte in der Nacht. Direkt vor ihrem Fenster hielt er an. Das helle Licht der Scheinwerfer blendete sie so stark, dass sie nicht imstande war, den Fahrer zu erkennen. Jetzt bekam sie es richtig mit der Angst zu tun. Warum sollte dieser Cadillac ausgerechnet vor ihrem Motelzimmer halten? Es gab mehr als genug andere freie Parkplätze, die er hätte nehmen können.
Der Motor des Cadillac war nicht gerade leise, und so war es eine Erleichterung, als der Fahrer die Maschine abstellte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Vibrationen endlich völlig erstarben. Dann erloschen auch die Scheinwerfer. Kacy war noch immer benommen von der Helligkeit; ihre Augen hatten alle Mühe, sich an die plötzliche Dunkelheit anzupassen. Sie hörte, wie die Wagentür ging, doch sie sah niemanden aussteigen. Als Nächstes erklang das Geräusch von Schritten, Schuhe mit harten Sohlen, die auf dem Kies des Parkplatzes knirschten. Hastig – als könnte das etwas nutzen – schloss sie die Jalousien und sprang vom Fenster zurück in der Hoffnung, dass man sie nicht gesehen hatte.
Die Silhouette eines Mannes bewegte sich am Fenster vorbei zur Tür. Er sah aus wie Dante, doch Kacy war sich nicht sicher.
Der runde Messingknopf drehte sich, und die Tür erzitterte, als der Mann versuchte, sie von außen zu öffnen und am Knauf rüttelte. Kacy hatte hinter sich zugesperrt, als sie ins Motel zurückgekehrt war. Sie wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Der Türknauf wurde weiter von außen bewegt, von Sekunde zu Sekunde heftiger. Sollte sie sich melden, fragen, ob es Dante war? Oder sollte sie sich ruhig verhalten für den Fall, dass er es nicht war? Wenn sie lange genug wartete, würde er durch die Tür nach ihr rufen und verlangen, dass sie ihn einließ, oder? Doch was, wenn nicht? Was, wenn er wieder davonfuhr, um nach ihr zu suchen? Gottverdammt! Sie beschloss, sich zu melden.
»Dante? Bist du das, Baby?«
Der Türknauf hörte auf zu zittern, doch niemand antwortete. Kacy schlich auf Zehenspitzen zur Tür.
»Dante?«, wiederholte sie ein wenig leiser.
Immer noch keine Antwort.
Sie bekam es wirklich mit der Angst, doch sie wusste nicht, was sie tun sollte, außer die Tür öffnen. Der Mann draußen schien nicht weggehen zu wollen, und der Gedanke daran, dass er die Tür eintreten könnte, war so entsetzlich, dass sie es für das Beste hielt, einfach zu öffnen. Zumindest konnte sie dann so tun, als wäre sie jemand anderes. Jemand, der nichts zu verbergen hatte. Sie streckte die zitternde Hand aus und packte den Schlüssel, der im Schlüsselloch steckte. Sie
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