Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
zu erreichen. Somers raste durch zahllose Seitenstraßen und Gassen, wobei er unterwegs wegen des Gegenverkehrs oder eines sorglosen Fußgängers mehrmals heftig ins Schleudern geriet.
Das County Motel war ein schmuckloses, heruntergekommenes Etablissement mit dreißig Zimmern entlang dem Highway, der aus Santa Mondega heraus nach Westen führte. Es war eine gute Station für Neuankömmlinge, die ihre erste Nacht in der Stadt verbrachten. Die Zimmer waren billig, die Parkplätze waren umsonst.
Die Parkplätze waren nur zur Hälfte belegt, als sie dort eintrafen. Die meisten Fahrzeuge waren Pick-up-Trucks oder Kombis. Nirgendwo eine Spur von einem Cadillac gleich welcher Farbe, und ganz gewiss keine von einem gelben. Somers parkte den Streifenwagen auf dem mittleren von drei freien Parkplätzen keine zwanzig Meter links vom Haupteingang entfernt. Auf einem mutwillig beschädigten Schild über der Tür stand:
WILLKOMMEN IM C UNTY MOTEL.
Unter dem Schild führte eine einzelne Treppenstufe aus Beton zu einer gläsernen Doppeltür mit einem hässlichen limettengrünen Rahmen.
»Ich gehe zur Rezeption«, sagte Somers und öffnete die Fahrertür. »Sie warten hier und drücken auf die Hupe, wenn Sie irgendwas sehen.«
»Wird gemacht«, antwortete Jensen und nahm sein Mobiltelefon aus der Tasche, während sein Partner aus dem Wagen stieg.
Somers eilte durch die Glastür ins Innere des Gebäudes, während Jensen sein Mobiltelefon einschaltete. Es war ausgeschaltet gewesen, seit Somers ihn in der vorangegangenen Nacht aus der Scheune – und möglicherweise vor der Vogelscheuche – gerettet hatte. Innerhalb weniger Sekunden nach dem Einschalten gab das Mobiltelefon eine Serie von Pieptönen von sich, und auf dem Display erschien eine Textzeile:
1 neue Nachricht.
Nach einem wilden und extrem leidenschaftlichen Beischlaf, der sehr entspannend sowohl auf Dante als auch auf Kacy wirkte, hatten sie sich angezogen und aus dem Motel ausgecheckt. Seitdem sie sich von ihm aus der Wäsche hatte reden lassen, vermochten sich beide nicht mehr recht zu erinnern, warum sie so verzweifelt aus der Stadt flüchten wollten. Sicher, die Polizei würde nach ihnen suchen, doch angesichts der Anzahl von Leichen an diesem Tag würde die Polizei buchstäblich Hunderten von Spuren nachgehen müssen, bevor sie die Zeit fand, sich um das junge Liebespaar zu kümmern.
Sie hatten ihre restlichen Besitztümer eingepackt und frische Kleidung angezogen, ohne dabei auch nur einen Bruchteil der Aufregung zu spüren wie vor ihrem sexuellen Zwischenspiel. Dante trug nun die Bluejeans, die Kacy ihm zugeworfen hatte, zusammen mit einem untadeligen roten, kurzärmeligen Hawaiihemd über einem sauberen weißen Unterhemd. Kacy hatte einen hellblauen Minirock angezogen und blaue hochhackige Schuhe. Ihre Garderobe wurde vervollständigt durch ein reizvolles, tief ausgeschnittenes weißes T-Shirt mit dem Bild eines 1966er Thunderbird, der über den Rand des Grand Canyon segelte.
Nachdem sie den gelben Cadillac auf den hinteren Parkplatz gefahren hatten, kehrten sie zur Vorderseite des Motels zurück. Dante hatte einen Arm um Kacys Schulter geschlungen. Nach allem, was sie in den letzten paar Tagen gemeinsam durchgemacht hatten, war sein Beschützerinstinkt ihr gegenüber stärker als je zuvor erwacht. Sie war wichtiger für ihn als alles andere auf der Welt, und so behielt er sie dicht bei sich in der verbleibenden Zeit in Santa Mondega.
Die beiden waren sehr entspannt und voller Zuversicht, als sie in der Rezeption erschienen, um ihre Rechnung zu begleichen. In einem Versuch, diskret zu erscheinen, trugen beide Sonnenbrillen, um wenigstens einen Teil ihrer Gesichter zu verdecken. Kacy trug Dantes Terminator-Brille und er eine Fliegerbrille, die er einem der Toten in der Tapioca Bar abgenommen hatte. Er hatte nicht die geringsten Schuldgefühle deswegen. Der Typ war schließlich tot gewesen.
Carlos, der Manager des Motels, saß mit hochgelegten Beinen hinter dem Empfangsschalter und las in einer Ausgabe des Empire Magazine . Obwohl Dante und Kacy gekommen waren, um ihre Rechnung zu begleichen, und Geld in seine Kasse bringen würden, reagierte er ungehalten angesichts der Störung, während er las. Er war ein kleiner Hispano mit Büscheln von dichtem schwarzen Haar um die Ohren herum und wenig bis gar keinem auf dem Kopf. Dies glich er aus durch einen extrem dicken schwarzen Schnurrbart, der unter seiner großen Nase wucherte und sich über die
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