Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
beiden Mönche hatten keine Ahnung, von wem.
»Kyle, wer würde denn so etwas tun?«, fragte ein sichtlich aufgebrachter Peto, indem er zum tausendsten Mal unter dem Bett nachsah, nur für den Fall, dass der Koffer noch dort lag und sie ihn durch irgendeinen unwahrscheinlichen Zufall bis jetzt übersehen hatten.
Kyle hatte ebenfalls keine Idee.
»Nach allem, was ich von der Welt außerhalb von Hubal gesehen habe, könnte so gut wie jeder dies getan haben. Niemand scheint so etwas wie ein Gewissen zu besitzen oder auch nur eine Vorstellung von dem, was richtig ist und was falsch. Wir stecken in ernsten Schwierigkeiten, Peto. Dieses Geld war alles, was wir hatten, um mit der Außenwelt zu verhandeln. Nun bleibt uns nichts anderes übrig, als zu Dieben zu werden, genau wie alle anderen, wenn wir das Auge des Mondes zurückhaben wollen.«
Peto traute seinen Ohren nicht. Er gab seine sinnlose Suche auf und warf sich in einen Sessel am Fenster. Kyle schlug allen Ernstes vor, den Kodex zu brechen, nach dem sie ihr gesamtes Leben gelebt hatten. Und es war obendrein sein erster Vorschlag. Er hatte keine anderen Ideen. Es stand schlimm. Sehr schlimm.
»Aber das würde gegen den Kodex verstoßen!«, sagte Peto entsetzt. »Es würde allem widersprechen, was man uns gelehrt hat!«
»Ja, das würde es«, sinnierte Kyle. »Aber das, mein Freund, ist wahrscheinlich genau das, was all den anderen Mönchen ebenfalls zugestoßen ist, die jemals für eine Mission die Insel verlassen mussten. Das ist der Grund, warum nicht einer von ihnen zurückkehren und unter uns weiterleben kann. Ich denke, wir sehen nun das wahre Opfer dafür, die Auserwählten zu sein, die das Auge finden sollen.«
»Es muss einen anderen Weg geben, das Auge zurückzuholen. Einen, ohne zu stehlen!«, sagte Peto. »Es muss einfach!«
»Glaubst du ernsthaft, dass irgendjemand uns uneigennützig helfen würde, es zurückzuholen, wenn er es für fünfzigtausend Dollar an jemand anderen verkaufen kann?« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und rieb sich die müden Augen, bevor er fortfuhr. »Nein, Peto, wir haben keine andere Wahl. Wir müssen alles beiseiteschieben, was man uns gelehrt hat. Wir müssen jeden einzelnen unserer heiligen Eide brechen, wenn wir den Stein zurückholen wollen, der rechtmäßig uns gehört.«
»Heißt das etwa, wir müssen anfangen zu trinken, zu rauchen, zu fluchen, zu spielen und mit leichten Mädchen zu schlafen?«, fragte Peto.
»Du hast zu viel vor dem Fernseher gesessen, Peto. Ich denke nicht, dass wir diese Eide brechen müssen. Aber lügen und stehlen – wir müssen möglicherweise lügen und stehlen«, antwortete der andere Mönch.
Kyle saß auf dem großen Doppelbett, unter dem der Koffer voller Geld versteckt gewesen war. Er hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Die heiligen Eide von Hubal brechen … das war nicht das, was er gewollt hatte, als er zu seiner Mission aufgebrochen war. Auch wenn ihm durchaus bewusst gewesen war, dass es möglicherweise eine Erfordernis sein würde, um den Auftrag zu erfüllen.
»Nun denn, wenn wir schon einen Eid brechen müssen und für immer von Hubal verbannt werden, können wir dann nicht gleich alle brechen und fertig?«, argumentierte Peto. »Abgesehen davon habe ich schon einem von diesen Schweinen – ah, Kerlen ins Gesicht geschossen und ihn getötet.«
»Das zählt nicht«, schnappte Kyle. »Das war ein Unfall.«
Kyle schien völlig die Kontrolle über seine Emotionen verloren zu haben, zu Petos großer Überraschung. Er hatte den älteren Mönch noch nie so gesehen. Kyle war eindeutig untröstlich, weil sie all ihr Geld verloren hatten, und der Gedanke, auch nur einen der Eide zu brechen, an die er sich sein ganzes Leben lang gehalten hatte, machte alles nur noch schlimmer. Peto auf der anderen Seite kam rasch mit der Vorstellung zurecht, die Regeln zu brechen. Um die Wahrheit zu sagen – er genoss diese Gelegenheit förmlich. Und mit dieser Erkenntnis sprang er auf.
»Scheiße, Kyle, wo ist die verdammte Minibar?«, fragte er trotzig.
»Hey, langsam, Peto!«, sagte Kyle und sprang ebenfalls auf. »Ich sagte, wir müssen vielleicht einige Eide brechen. Du hast bereits geflucht, und das reicht wohl für den Augenblick, hmmm? Wenn du am Ende von Hubal verbannt wirst, weil du in dem Bemühen, das Auge des Mondes zurückzuholen, gelogen und gestohlen hast, dann und nur dann darfst du darüber nachdenken, weitere Eide zu brechen, beispielsweise den, keinen
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