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Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon

Titel: Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymus
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Opfer war so traumatisiert gewesen von der Brutalität des Aktes, dass es sich kurze Zeit später das Leben genommen hatte. Wie es der Zufall wollte, war das Swann zugutegekommen – ihr Tod bedeutete, dass es nicht genügend Beweise gab für ein ordentliches Kriegsgericht. Nicht nur das, er hatte außerdem auch noch das Glück gehabt, nicht heimlich wegen seines Verbrechens exekutiert zu werden. Er war tatsächlich nicht einmal unehrenhaft aus der Army entlassen worden – rein technisch betrachtet war er sogar immer noch Offizier.
    Swann hatte eine Sache auf seiner Seite, die ihn am Leben hielt. Sie war der Grund, warum er das Glück hatte, in diesem geheimen Gefängnis seine Zeit abzusitzen. Er war ein hochdekorierter Army-Veteran, ein Mann mit solch unglaublich seltenen Talenten auf dem Gebiet des Kampfes, dass seine eigene Regierung sich nicht überwinden konnte, ihn zu eliminieren. Außerdem hatte er dem White House Director of Communications einmal das Leben gerettet. All das reichte gerade aus, um seinen Hals zu retten, auch wenn es verdammt knapp gewesen war. Swann war ein Ausnahmesoldat, furchtlos und bereit, für sein Land zu sterben – er schaffte es nur nicht, die Schlange im Käfig zu lassen. Selbst jetzt, im Alter von siebenunddreißig Jahren, war er immer noch ein nicht zu bändigendes Sexmonster, und das lange Eingesperrtsein in der Zelle hatte seinen Appetit unersättlich werden lassen.
    In den frühen Morgenstunden des siebzehnten Oktober wurde Swann in seiner Zelle von zwei bewaffneten Wachen geweckt. Er war schlau genug, keinen Widerstand zu leisten, als sie ihn unsanft mit Handschellen fesselten. Und obwohl sie nicht reagierten auf seine Frage, was das zu bedeuten hätte, machte er keine Schwierigkeiten, einfach deshalb, weil er froh war über die Abwechslung in seiner alltäglichen, von Langeweile beherrschten Routine.
    Er wurde durch endlose Korridore und Gänge bis in das Büro des Direktors eskortiert. Sie stießen ihn in einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Er war erst ein einziges Mal in diesem Büro gewesen, gleich an seinem ersten Tag, als Direktor Warden Gunton ihm die Gefängnisregeln eingetrichtert hatte.
    Das Büro war doppelt so groß wie die erbärmliche Zelle, in welcher Swann die letzten Jahre verbracht hatte. An allen vier Wänden standen Regale mit Büchern und Kunstgegenständen, und in den Lücken zwischen den Regalen hingen Gemälde. Zwischen den beiden Fenstern hinter dem Schreibtisch hing ein lebensgroßes Gemälde des grauhaarigen, lederhäutigen Gunton, wie um zu betonen, welch ein eitler Mann er war. Er trug einen schicken grauen Anzug auf diesem Porträt – keine Überraschung für diejenigen, die ihn kannten. Der Mann besaß zehn Anzüge, alle identisch, alle grau und alle gleich langweilig. Was den gesamten Charakter des Mannes perfekt beschrieb.
    Das einzig Merkwürdige an diesem dunklen Morgen war die Tatsache, dass der Direktor nicht auf seinem Sessel hinter dem Schreibtisch saß, wie Swann es vielleicht erwartet hätte. Stattdessen saß ein anderer Mann dort. Kein wieselartiger kleiner Mistkerl wie der Direktor, sondern ein großer, breitschultriger Schweinehund, der aussah wie ein Nachtklub-Türsteher. Der gleiche graue Anzug wie der Direktor, ein anderes Gesicht. Andere Ausstrahlung. Dieser Mann hier hatte einen kahl rasierten, blassen Schädel, und eine dunkle Sonnenbrille verbarg seine Augen. Die Brille ist eindeutig Show – immerhin haben wir mitten in der Nacht , sinnierte Swann. Oder ist der Typ vielleicht blind? Hmmm. Unwahrscheinlich.
    Die beiden Wachleute, die Swann hergebracht hatten, nickten dem Unbekannten hinter dem Schreibtisch zu und zogen sich durch dieselbe Tür zurück, durch die sie gekommen waren. Der Mann starrte Swann durch seine dunklen Gläser mit ausdrucksloser Miene an, bis sich der Gefangene fragte, ob er ihn vielleicht wegen seines vollen braunen Haarschopfs beneidete. Wahrscheinlich eher nicht, obwohl – möglich war alles. Eine halbe Minute lang redete keiner der beiden ein Wort. Swann hielt es schließlich nicht länger aus.
    »Okay, ich gebe auf. Was?«, fragte er und sah bewusst aus dem Fenster, um dem anderen deutlich zu machen, dass er ihm keine Angst einjagen konnte.
    »Möchten Sie die Handschellen abgenommen haben?«, fragte der Fremde.
    »Sicher. Warum nicht?«
    »Hände auf den Tisch.«
    Es war ein Befehl, und Swann nahm nur höchst ungern Befehle von jemandem entgegen, den er nicht kannte. Doch er war immer noch

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