Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
nie erhalten zu haben.
»Um noch einmal zusammenzufassen«, begann sie, was endlich ein wenig Interesse von Michael De La Cruz zu wecken schien. Sie hatte gehofft, ihn zu beeindrucken, nicht zuletzt deswegen, weil sie sechs Monate zuvor eine kurze, doch dafür umso heißere Begegnung mit ihm gehabt hatte und seither auf eine Wiederholung hoffte. Dieser Mann war ein sexueller Tyrannosaurus. Ein wahrer Teufel im Bett.
Er richtete sich bei ihren Worten auf, als hörte er erst in diesem Augenblick zu. Sie tat, als würde sie es nicht bemerken, doch für einen Moment war sie in ihrer Konzentration gestört. Sie zögerte kurz, um sich bei ihrer Zusammenfassung nicht zu verhaspeln. Sie hatte sich extra für diesen Vortrag ihr schickstes Kostüm angezogen. Eine eng sitzende Kombination aus grauer Jacke und kniefreiem Rock mit einer weißen Bluse, die einen Hauch Dekolletee zeigte – und nicht einer von diesen Verlierern hatte ihr ein Kompliment gemacht. Nichts außer einem leicht anzüglichen Grinsen von Benson, aber das war nichts Neues. Benson würde noch eine Frau in Sackleinen angrinsen, wenn er dafür Fleisch zu sehen bekam.
Weil sie aus den verschiedensten Gründen mit keinem der Detectives Augenkontakt herstellen wollte, richtete sie den Blick beharrlich auf einen Computerbildschirm auf einem kleinen Beistelltisch, als sie mit ihrer Zusammenfassung begann.
»Das Buch ohne Namen ist im Grunde genommen ein Durcheinander verschiedener Geschichten und angeblicher Tatsachen, alles in einem einzigen Band zusammengewürfelt. Es ergibt kaum einen Sinn, größtenteils jedenfalls. Grammatik und Stil sind grauenhaft, die Rechtschreibung ebenfalls, und der Autor ist eindeutig ein Volltrottel, was möglicherweise erklärt, wieso er nicht seinen Namen in das Buch geschrieben hat.« De La Cruz lachte höflich, was ihre Nerven ein wenig beruhigte. Sie erwiderte das Lächeln, bevor sie fortfuhr. »Obwohl das auch daran liegen könnte, dass es möglicherweise mehr als einen Urheber gibt. Die hervorstechenden Fakten sind jedenfalls folgende«, sie deutete auf eine Weißwandtafel hinter sich, auf der das erste Bild einer von ihr vorbereiteten computergestützten Präsentation erschien. Es war ein Foto von Archibald Somers. »Detective Archibald Somers, bis zu seinem mysteriösen Verschwinden ein angesehener Beamter in diesem Department hier, war in Wirklichkeit Armand Xavier, der Lord der Untoten.«
Sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog wie von einer Lebensmittelvergiftung angesichts der Ungeheuerlichkeit ihrer eigenen Worte. Die drei Detectives wechselten Blicke. Keiner von ihnen ließ sich etwas anmerken, doch das war auch gar nicht nötig. Zweifellos hielten sie Stephanie für schwachsinnig. Sie brachte das zweite Bild auf die Tafel. Warum jetzt noch aufhören? Hat doch keinen Sinn mehr.
»Diese Frau hier, bekannt als Jessica Xavier, war seine Ehefrau und verantwortlich dafür, dass er ein Untoter wurde irgendwann, nachdem er den Heiligen Gral entdeckt und das Blut Jesu Christi getrunken hatte, was ihn unsterblich machte.« Sie gab sich Mühe, so zu klingen, als glaubte sie selbst nicht an den Unsinn, der aus ihrem Mund kam, für den Fall, dass die drei sie auslachten. Doch wie schon zuvor gab ihr Publikum durch nichts zu erkennen, was es davon hielt.
Bild drei. Ein Bild von einem Mann mit einer Kapuze, das Gesicht in tiefen Schatten verborgen.
»Dieser Mann hier, der Bourbon Kid, ist der mutmaßliche Mörder sowohl von Archibald Somers – oder Armand Xavier, wie auch immer Sie ihn nennen wollen – als auch von Archibalds Frau Jessica während der Sonnenfinsternis im vergangenen Jahr. Ihre drei Söhne …«, sie rief das vierte Bild auf, das El Santino, Carlito und Miguel zeigte, drei tote einheimische Gangster, alle niedergeschossen in der Tapioca Bar. »Sie wurden ebenfalls vom Bourbon Kid umgelegt – mit großer Wahrscheinlichkeit –, doch wir konnten ihre Leichen identifizieren und ihren Tod bestätigen.«
Bild fünf. Ein Bild vom Buch ohne Namen , wahrscheinlich von einem alten Stich.
»Dieses Buch – genau dieses Buch, das ich gelesen und zusammengefasst habe – wurde angeblich aus dem Kreuz gemacht, an welches Jesus Christus geschlagen wurde. Was bedeutet, dass kein Untoter es berühren kann, ohne zu vergehen. So ähnlich wie Superman und Kryptonit, schätze ich.« Keine Lacher von ihren Zuhörern. Scheiße. »Laut diesem Buch sind Archibald Somers und Armand Xavier ein und dieselbe Person –
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