Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
wenig dankbar zeigte. Beim letzten Mal, als er sie fünf Jahre lang mit Hilfe seines verstorbenen Bruders Thomas und seiner Schwägerin Audrey versteckt gehalten hatte, war sie nach dem Erwachen aus dem Koma ziemlich unhöflich zu ihm gewesen. Undankbar. Und sie war mit einem berüchtigten Kopfgeldjäger namens Jefe in die Kiste gesprungen. Schön, Jefe war tot, also gab es zurzeit keinerlei Konkurrenz für Sanchez. Er hatte einen gewissen Vorsprung, und er beabsichtigte, seine Chance dieses Mal zu nutzen.
Jessica war in ihrem gegenwärtigen Koma, seit dieser Bastard Bourbon Kid sie wieder in Stücke geschossen hatte. Der Terminator hatte ihm dabei geholfen – oder zumindest ein Typ, der ausgesehen hatte wie ein T-800. Sanchez wollte die beiden tot sehen, auch wenn er schon zufrieden war, wenn er sie überhaupt nicht mehr sah. Dieser Tage verfügte er nicht mehr über die Kontakte wie früher, zu Leuten, die imstande gewesen wären, jemanden wie den Bourbon Kid oder einen Terminator zu eliminieren. Seine beste Hoffnung wären Elvis und der Rodeo Rex gewesen, aber beide waren brutal ermordet worden. Niemand wusste genau, von wem.
Also hatte Sanchez das vergangene Jahr seit dem großen Massaker in seiner Bar den Kopf eingezogen und sich still verhalten. Er schlief nicht gut, und er beherbergte unwissentlich eine Vampirkönigin, die langsam genas, doch davon abgesehen war alles andere irgendwie ganz okay gewesen.
Bis jetzt.
Die Dinge hatten soeben eine Wendung zum Schlechteren genommen. Von dem Augenblick an, als sie die Bar von Sanchez betreten hatten, war diesem klar gewesen, dass ihr Auftauchen jede Menge Scherereien und Ärger nach sich ziehen würde. Die Mitglieder des Vampir-Clans der Filthy Pigs [1] , drei, um genau zu sein, waren in Zivil unterwegs. Einer von ihnen, der Vorgesetzte der beiden anderen, Captain Michael De La Cruz, trug eine modische schwarze Hose, darüber ein leuchtend weißes Hemd und eine angesagte, weit geschnittene braune Lederjacke. Der Haarschnitt war tadellos, die Frisur zurückgegelt mit vereinzelten Spitzen nach neuestem Trend, und im Nacken tief heruntergezogen. Ah, großartig , dachte Sanchez. Noch so eins von diesen New-Age-Arschlöchern mit drei Haarschnitten in einem.
Doch De La Cruz war nichts im Vergleich zu dem zweiten Burschen, einem verdreckt aussehenden Bastard namens Detective Randy Benson. Sanchez wusste, dass er noch viel schlimmer war als De La Cruz. Er trug ein leuchtend blaues, kurzärmeliges Hemd und dazu knielange fluoreszierend gelbe Shorts. Er hätte gut und gerne einen der Haarschnitte von seinem Boss ausleihen können, denn er schien keinen eigenen zu haben. Sein Mopp wirrer weißer Haare sah aus wie von einem irren Professor.
Den dritten Typen, Detective Dick Hunter, hatte Sanchez noch nie gesehen. Er machte einen erbärmlichen, wieselartigen Eindruck auf den Barkeeper und sah aus wie ein Strichjunge mit seinem engen weißen T-Shirt, durch das unangemessen spitze Nippel schimmerten. Das war mehr als genug für Sanchez, um augenblickliche Abneigung zu wecken. Er war außerdem ein Fremder, und viel mehr war überhaupt nicht nötig, damit Sanchez den Mistkerl hasste.
De La Cruz kam zur Theke stolziert, flankiert von den beiden anderen. Er wusste, wie unkooperativ der Barkeeper sein konnte, deswegen nahm er von Anfang an kein Blatt vor den Mund.
»Sanchez, du elender Hurensohn, wir wollen uns oben umsehen«, schnarrte er. »Und mach uns drei Whiskeys fertig, zum Mitnehmen. Aufs Haus.«
Sanchez säuberte ein Glas, indem er den Rand an seinem schmutzigen weißen Sweatshirt rieb. Er tat sein Bestes, desinteressiert zu wirken, und es gelang ihm perfekt.
»Ihr geht nirgendwohin in meiner Bar ohne einen Durchsuchungsbefehl«, versprach er auf seine übliche schlecht gelaunte Art.
Die Antwort von De La Cruz war programmiert, ganz ähnlich der Reaktion von Sanchez. »Komm mir nicht in die Quere, Sanchez. Wenn ich mit einem Durchsuchungsbefehl zurückkommen muss, dann wische ich mir damit den Hintern ab, bevor ich ihn dir in die Fresse reibe.«
»Schätze, es wäre nicht das erste Mal, dass ich in meiner eigenen Bar eine Scheißfresse kriege«, entgegnete der Barkeeper mit sarkastischem Grinsen.
Der Detective beugte sich ein wenig über die Theke, gerade weit genug, dass Sanchez seinen faulen Atem riechen und einen Blick auf seine vorstehenden Fänge erhaschen konnte. »Und anschließend reiße ich dir mit den Zähnen die Kehle raus. Und jetzt bring uns nach
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