Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
ihm in den Weg, als er fasziniert beobachtete, wie der alte Detective in einem Feuerball zur Hölle fuhr. Kurz bevor der Clip endete, sah er, wie der Bourbon Kid mit der Hand über seinen Hals fuhr und anschließend auf seine Finger starrte. Ein oder zwei Sekunden später zog er die Kapuze über den Kopf und verließ das Gebäude.
»Er ist jedenfalls gerissen genug, den Kameras sein Gesicht nicht zu zeigen, von deren Existenz wir bis zum damaligen Zeitpunkt keine Ahnung hatten«, beobachtete Hunter. »Andererseits haben wir immer gewusst, dass er ein cleverer Bursche ist. Wir haben keinerlei Aufzeichnungen von seinem Gesicht. Nichts. Er hat von Anfang an gewusst, wo die Kameras postiert sind. Er scheint es immer zu wissen. Selbst wenn wir keine Ahnung haben.«
»Du hast den entscheidenden Moment versäumt«, sagte De La Cruz und ließ die Aufnahme noch einmal ablaufen. Diesmal spulte er ein kleines Stück weiter zurück und hielt während der Kampfszene zwischen Somers und dem Bourbon Kid wieder an, einen kurzen Moment, bevor Somers in Rauch und Flammen aufging. Hunter starrte sekundenlang auf den Bildschirm, bis ihm mit einem Schlag dämmerte, was De La Cruz ihm da zeigte. Der Captain nickte.
»Jepp, ganz genau«, sagte er. »Unser alter Freund Somers hat den Kid in den Hals gebissen. Der Kid ist selbst zu einem Blutsauger geworden. Er kann das Buch nicht mehr anfassen, weil Somers ihn umgedreht hat. Der Bourbon Kid ist jetzt selbst ein beschissener Vampir, genau wie wir anderen alle!«
»Heilige Scheiße!«, murmelte Hunter mit offen stehendem Mund, der seine Fassungslosigkeit verriet. »Ich kann einfach nicht glauben, dass wir diese Szene vorher noch nie gesehen haben!«
De La Cruz war tief in Gedanken versunken. Er starrte abwesend auf die Glastür seines Büros, die nicht ganz geschlossen war.
»Nun ja«, sinnierte er. »Ich dachte bis jetzt einfach nicht, dass es wichtig sein könnte. Irgendwie war es die ganze Zeit über irrelevant. Ich habe jetzt erst darüber nachgedacht, verstehst du? Der Kid ist jetzt ein wenig mehr, als er sich eigentlich vorgestellt hat. Das hilft uns ein gewaltiges Stück weiter. Jetzt können wir ihn aufspüren. Ich bin absolut sicher.«
»Wie das?«, fragte Hunter überrascht. »Wie soll uns das alles helfen, ihn zu finden?«
»Überleg doch mal. Der Kid hat jetzt die gleichen Vampir-Instinkte wie wir anderen alle, oder nicht? Das ist nur natürlich.«
»Okay, also hat er den Blutdurst, die Gier nach menschlichem Blut, und er kann von bestimmten Dingen getötet werden wie beispielsweise dem Buch, richtig?« Hunter zögerte. »Ich kapier’s immer noch nicht, Boss. Worauf willst du hinaus?«
Der andere Detective starrte weiter auf die Glastür, doch er beugte sich ein wenig über seinen Schreibtisch, als er sein Argument vorbrachte. »Überleg ein wenig unkonventioneller, mein Freund. Falls er sämtliche Vampir-Instinkte hat, dann dürfte er unter einer größeren Veränderung seiner Persönlichkeit leiden, von der du noch kein Wort erwähnt hast.«
Hunter schüttelte verdutzt den Kopf. »Und die wäre?«, fragte er.
»Gesellschaft. Der Kid war immer ein Einzelgänger, richtig?«
»Scheiße, ja!« Endlich dämmerte Hunter, worauf sein Captain hinauswollte.
»Du glaubst, dass er sich einem der Clans angeschlossen hat?«
»Jepp«, sagte De La Cruz, indem er sich wieder dem Bildschirm zuwandte und erneut auf die Leertaste hämmerte, um noch einmal anzusehen, wie der Kid von Somers in den Hals gebissen wurde. »Unser Kid lebt schon seit einer ganzen Weile unter uns. Die große Frage ist, unter welchem Namen? Und genauso wichtig, in welchem Clan hält er sich versteckt?«, fragte er mit erhobenem Zeigefinger an die Adresse seines Kollegen.
»Du meine Güte! Wenn er nicht schon längst dahintergekommen ist, dass du und ich an der Ermordung seines Bruders beteiligt waren, dann dauert es mit Sicherheit nicht mehr lange, bis er es herausfindet. Die Gerüchte brodeln schon bei den einzelnen Clans. Scheiße! Selbst Sanchez weiß bereits Bescheid, und er ist nur ein gewöhnlicher Barkeeper.«
De La Cruz nickte stirnrunzelnd. »Ja, ja. Ich weiß. Aber ich habe einen Plan.« Er griff in eine der Schubladen seines Schreibtischs und nahm das Handy hervor, das sie Casper abgenommen hatten, bevor sie ihn dahingemetzelt hatten. »Nimm dieses Handy mit ins Nightjar, okay? Dort drückst du die Wahlwiederholung und lauschst, wessen Handy läutet. Auf diese Weise findest du heraus, wer der
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