Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
einzukehren.
Er hatte kaum den Entschluss gefasst, als etwas geschah, das ihn dazu brachte, ebenjenen Entschluss gründlich zu überdenken. Als er sich nämlich dem Lokal näherte, hörte er einen gewaltigen Tumult, und dann stürzte eine Schar von Gästen durch die Tür ins Freie. Sie rannten nach rechts und links davon, so schnell ihre Füße sie trugen.
Bombendrohung? , überlegte Sanchez.
Nein, eher nicht.
Ein Feuer vielleicht?
Nein, keine Spur von Rauch in der Luft.
Was könnte es denn sonst sein?
Eine andere mögliche Ursache kam ihm in den Sinn.
Uh-oh. Das wird doch wohl nicht …?
Oder doch?
Der letzte der fliehenden Gäste, ein dicker Mexikaner mit Spitznamen Poncho, rannte mit panisch hervorquellenden Augen auf Sanchez zu. Er sah aus, als wäre er geradewegs aus einer Kabine der Herrentoilette gekommen, weil er sich mit einer Hand die offene braune Hose hielt und ein paar Meter Toilettenpapier hinter sich herschleifte, die hinten aus der Hose kamen. Als er näher kam, brüllte er Sanchez eine Warnung zu. Die Warnung, die der Barmann am meisten von allen befürchtet hatte.
» Er ist zurück! Der verdammte Bourbon Kid ist wieder da, Mann! «
Poncho trampelte mit schweren Schritten vorbei und rempelte Sanchez aus dem Weg. Der Aufprall erinnerte Sanchez daran, wie erschöpft er war. Er blieb stehen und ließ seine Einkaufstüten zu Boden sinken. Seine Beine hatten sich vor Erschöpfung (und weil er körperlich nicht fit war) bereits vor Minuten in Gelee verwandelt, und jetzt wurden sie zu Spaghetti – es war ein Mirakel , dass er überhaupt noch auf den Füßen stand. Er starrte auf den Eingang des Fawcett Inn und wartete, ob noch jemand herauskam. Oder verirrte Kugeln, was das anging. Bis zu diesem Moment hatte er noch keine Schüsse gehört, eine höchst ungewöhnliche Tatsache, falls der Bourbon Kid tatsächlich zurückgekehrt war.
Sanchez hatte zwei vorangegangene Begegnungen mit dem Bourbon Kid überlebt, Santa Mondegas umtriebigstem Killer. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund, der ihn wahrscheinlich eines Tages geradewegs in eine Klapsmühle bringen würde, verspürte er jetzt eine unwiderstehliche Neugier. Er wollte unbedingt einen Blick auf dieses Gesicht werfen, das sich unter der dunklen Kapuze verbarg. Er trat ein paar Schritte auf den Eingang zu. Die große Holztür stand einen Spaltbreit offen und schwang unmerklich im Wind. Dahinter, im Innern des Lokals, war es zu dunkel, um von draußen etwas zu erkennen. Trotzdem schien es halbwegs sicher, ein wenig näher zu treten, hauptsächlich, weil er bis zu diesem Moment immer noch keine Schüsse oder Schreie aus dem Innern gehört hatte. Zumindest nicht von seiner Position aus.
Also machte er einen Schritt.
Und dann noch einen.
Und dann hörte er hinter sich ein Geräusch.
Er wirbelte herum und sah Poncho. Der dicke Mexikaner, ein berüchtigter Taschendieb, war zurückgekehrt und hatte die Einkaufstüten gepackt, die Sanchez abgestellt hatte. Er hob sie auf, warf Sanchez einen letzten entschuldigenden Blick zu und rannte sodann mit all den neuen Sachen davon. Bastard.
Sanchez drehte dem diebischen kleinen Scheißkerl den Rücken zu. Er empfand unwillkürlich Hochachtung für den Geschäftssinn des Mexikaners. Er hatte eine Gelegenheit zu einem schnellen Geschäft gewittert und sie beim Schopf ergriffen. Davon abgesehen hatte Sanchez im Moment andere, dringendere Sorgen. So behutsam, wie er konnte, unternahm er eine Reihe weiterer vorsichtiger Schritte in Richtung des Eingangs des Fawcett Inn, bis er kaum noch drei Meter entfernt war.
Und dann endlich passierte etwas.
Eine plötzliche Bewegung ließ ihn zusammenfahren. Sein Herz drohte auszusetzen, und sein Magen zog sich zusammen, als hätte ihm jemand eine Handgranate in den Hintern geschoben. Die Tür des Pubs öffnete sich ein wenig weiter, und eine Gestalt erschien, die verzweifelt über den Boden kroch und nach draußen zu entkommen trachtete. Es war Igor der Beißer. Er krallte sich in die staubigen Pflastersteine und zog sich voran, als hätte er die Beine verloren und könnte sich nur noch auf die Kraft seiner Arme verlassen, um sich vom Fleck zu bewegen. Er blickte Sanchez an, das Gesicht eine einzige verquollene, breiige Masse, der Hals blutig von einem tiefen Schnitt. Für einen winzigen Moment sah es aus, als wollte er Sanchez um Hilfe anflehen. Dieser Moment verging sehr schnell, denn eine Sekunde später wurde er ins Innere des Pubs zurückgezogen. Seine
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