Das Buch Rubyn
unmissverständlich: Irgendwann würden sie sich gegenüberstehen.
Gabriel wandte sich unbeeindruckt ab und machte sich auf die Suche nach einer Waffe.
»Du willst es uns nicht mal verraten?«
Michael schüttelte den Kopf. »Ich hätte gar nichts sagen sollen. Ich hatte noch nicht alle Aspekte bedacht. Die Idee ist absolut lächerlich. Vergessen wir’s einfach. Gehen wir hoch und schauen uns die Schlacht an. Einverstanden?«
Michael, Emma und die Elfenprinzessin standen am Fuß des Turms und unterhielten sich leise, keine zwanzig Meter entfernt von dem immer noch an die Säule gefesselten Wächter. Bislang hatte der Mann noch nicht zu erkennen gegeben, ob er sie überhaupt bemerkt hatte.
Emma schaute die Prinzessin an. »Er hat vor irgendetwas Angst.«
Wilamena nickte. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber du hast recht. Irgendetwas hat Angst in das furchtlose Herz meines Häschens gesät.«
»Ich habe keine Angst!«, protestierte Michael, »vor gar nichts!«
»Hast du wohl«, sagte Emma. »Du hast solche Angst, dass du uns von deiner Idee nicht mal erzählen willst.«
»Das stimmt nicht.«
»Dann sag’s uns.«
»Also gut. Aber es ist eine dämliche Idee.« Er holte tief Atem und sprach dann schnell, weil er die Sache hinter sich bringen wollte. »Als ich die Krone der Prinzessin gesehen habe, musste ich an das Band des Drachen denken. An das hier, seht ihr?« Er hielt das zerschlagene goldene Band hoch, das er aus den Trümmern des Turms geholt hatte. »Und ich dachte mir, wir könnten das Band vielleicht reparieren und sie wieder in einen Drachen verwandeln, damit sie uns hilft, die Schlacht zu gewinnen.«
»Du hast recht«, sagte Emma, »das ist eine dämliche Idee. Und wie dämlich!«
»Wäre so etwas überhaupt möglich?«, fragt Wilamena.
»Vermutlich nicht«, sagte Michael, »also reden wir nicht mehr da–«
» Halt! «
Michael hatte schon einen Fuß auf die Treppe gesetzt, aber Wilamenas Ton ließ ihn herumfahren. Ihre ganze Haltung hatte sich verändert. Sie wirkte plötzlich wieder ganz königlich und befehlsgewohnt, wie eine echte Prinzessin.
»In diesem Moment kämpfen Elfensoldaten für dein Leben, sterben vielleicht für dich! Du hast die Pflicht, mir zu sagen, was du weißt. Wie könnte uns dieses Kunststück gelingen?«
»Im Hof steht eine Schmiede mit einem Amboss«, sagte Michael, ohne ihr in die Augen zu blicken. »Wir schmelzen deine Krone, versiegeln mit dem geschmolzenen Gold den Spalt in dem Band, und dann werfen wir wieder den Zauber über dich, nur dass diesmal ich der Meister des Drachen bin, und nicht der Wächter. Vorausgesetzt, es muss einen Meister geben«, fügte er verlegen hinzu. »Vielleicht kannst du ja auch … na ja, dein eigener Meister sein.«
»Und wie willst du diesen Zauber weben?«, fragte Emma. »Du bist kein Magier. Du brauchst Dr. Pym. Oder … oder …«
»Oder meinen früheren Meister.«
Emma schaute erst die Elfenprinzessin an, dann quer durch den Saal zu dem Wächter und schließlich wieder zu Michael. »Der Kerl, der versucht hat, uns umzubringen? Der all seine Freunde getötet hat? Den Kerl wollt ihr bitten, euch zu helfen? Euer Plan ist ja noch viel dämlicher, als ich dachte!«
»Aber nein!« Wilamenas blaue Augen glänzten im Dämmerlicht. »Er ist brillant!«
Michael starrte wortlos zu Boden.
»Ich fange an zu verstehen«, sagte die Elfenprinzessin. »Es gibt eine Möglichkeit, Xanbertis zur Mithilfe zu bewegen, und der kluge Hasi hat sie erkannt. Aber aus irgendeinem Grund macht ihm diese Vorstellung Angst.«
»Verstehe ich das richtig?«, sagte Emma. »Der Plan ist also nicht dämlich?«
»Schau mich an, Hasi.«
Michael hob den Kopf. Das Wesen der Prinzessin war wieder sanft geworden. Sie legte ihre kühle Hand auf seinen Arm.
»Ich weiß nicht, wovor du dich fürchtest, und ich werde nicht danach fragen. Nur so viel: Ich möchte nicht wieder zum Drachen werden. Es würde bedeuten, dass ich in ein Gefängnis zurückkehren müsste, aus dem zu entkommen ich nie zu hoffen gewagt hatte. Aber solange Elfen in dieser Schlacht sterben, werde ich meine Pflicht tun.« Leise fügte sie hinzu: »Du auch, Hasi?«
Die Elfenprinzessin hätte keine besseren Worte wählen können, um Michaels Meinung zu ändern. Pflichterfüllung war die höchste Tugend der Zwerge. Einem Zwerg vorzuwerfen, er vernachlässige seine Pflicht, war in etwa so, als würde man behaupten, er sei kein Zwerg. Trotzdem wusste Michael am Ende nicht, ob er
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