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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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jetzt, dass er in einem der überdachten Unterstände war, die sich an der gesamten Festungsmauer entlangzogen. Links von ihm befand sich die Schmiede. Jemand schlug klirrend auf den Amboss.
    »Wie bin ich hierher gekommen?«
    »Na, was glaubst du denn?«, gab Emma zurück. »Er hat dich rausgetragen.«
    »Wer?«
    »Er!« Sie rückte ein Stück zur Seite, und da sah Michael, dass es der Wächter war, der vor dem Amboss stand. Er trug eine dicke Lederschürze und schwere Handschuhe. Seinen zotteligen Bart hatte er mit einem Stück Schnur nach oben gebunden. In einer Hand hielt er eine Zange, in der anderen einen Hammer. Zwischen den Greifern der Zange steckte das goldene Band, das jetzt vor Hitze rot glühte. Der Mann ließ den Hammer niedersausen und schlug damit wieder und wieder auf das Band ein. Dabei murmelte er leise vor sich hin. Michael war sprachlos; er fand einfach keine Worte für das, was er sah. Schließlich hob der Mann das rauchende Goldband hoch und ließ es in einen Eimer Wasser fallen. Es zischte und dampfte.
    Michael kämpfte sich auf die Füße. »Er hat mich hergebracht? Er?!«
    »Ja. Als ich gesehen habe, dass er dich auf den Armen trug, dachte ich, dass er sich losgerissen und dich getötet hätte, aber … he, was ist denn los?«
    Michaels Blick war auf seine Tasche gefallen, die auf dem Boden lag. Er griff danach und leerte sie mit einem Ruck aus: Seine Kamera, seine Stifte, sein Notizbuch, Kompass und Taschenmesser, ein angebrochenes Päckchen Kaugummi, der Orden von König Robbie – alles fiel klappernd heraus, einschließlich der Chronik, an deren Buchrücken der Griffel wieder an seinen Platz gehakt war. Michael verstand gar nichts mehr. Er war ohnmächtig geworden, dann hatte sich der Wächter irgendwie befreien können. Aber anstatt mit dem Buch Rubyn zu fliehen, hatte der Mann die Chronik wieder in Michaels Tasche gesteckt und ihn hierher getragen. Und jetzt reparierte er augenscheinlich das goldene Band. Was war geschehen?
    Oder hatte es etwa …?
    Michael nahm das Buch und drehte es in seinen Händen hin und her.
    Hatte es geklappt?
    »Dein Plan hat funktioniert, was?«, sagte Emma, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
    »Was?«
    »Der Wächter. Als er dich rausbrachte, war er nicht mehr verrückt. Er ist jetzt furchtbar nett. Also hat dein Plan funktioniert.«
    »Ja«, sagte da eine Stimme. »Er hat mich geheilt.«
    Der Wächter stand neben ihnen. Die Schürze und die Lederhandschuhe trug er nicht mehr, aber sein Gesicht glänzte vor Schweiß und seine Wangen waren rußgeschwärzt. Er sah teuflischer aus denn je – wenn da nicht die Augen gewesen wären. Michael fühlte sich an Dr. Pyms Augen erinnert. In ihnen lag nicht die gleiche Fröhlichkeit wie in den Augen des Zauberers, aber sie strahlten die gleiche Ahnung von Alter, Weisheit und Milde aus. Michael merkte, wie seine Panik abebbte.
    »Du fragst dich vermutlich, wie ich mich befreien konnte«, sagte der Mann. »Als du zusammenbrachst, fielst du auf mich. Ich konnte das Messer aus deinem Gürtel ziehen.
    »Oh, aber … aber warum …?«
    »Warum ich nicht die Chronik nahm und floh? Wie ich schon sagte, du hast mich geheilt. Ich bin wieder der Mann, der ich einstmals war.« Dann kniete er sich vor Michael hin und hob seine Stimme über den Schlachtenlärm. »Hiermit lege ich Zeugnis ab, dass ich mich mit Leib und Seele in deinen Dienst stelle. Ich schwöre, dass mein Leben dir gehört, bis mich der Tod von diesem Band erlöst.«
    »Wow«, hauchte Emma.
    »Du hast mich dem Leben zurückgegeben«, sagte der Mann. » Du bist der wahre Hüter.«
    So zerschlagen und leer, wie er sich fühlte, brachte Michael kein Wort heraus. Er schüttelte nur leicht den Kopf. Es war nicht so, dass er anderer Meinung war als der Wächter. Er wollte es bloß einfach nicht glauben.
    Der Mann hielt ihm das goldene Band hin. »Es ist vollbracht. Der Zauber ist gewebt.«
    Michael nahm es. Das Metall, fest und warm in seiner Hand, verlieh ihm neue Energie. Er fuhr mit dem Daumen über die Stelle, wo sein Messer es zerschnitten hatte. Das Gold aus Wilamenas Krone hatte eine kaum sichtbare, leicht erhabene Narbe hinterlassen.
    Okay, sagte er sich, nicht an die Chronik denken, auch nicht daran, was alles geschehen ist. Denk nur daran, was du tun musst.
    Aber das war genauso, als würde ein verwundeter Mann nicht an das Blut denken wollen, das aus seinem Körper strömt.
    »Wo ist die Prinzessin?«, stieß er hervor.
    »Hier bin ich.«
    Wilamena trat zu

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