Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
Vom Netzwerk:
ein heruntergekommener Clown. Michaels Augen wanderten zu dem Brustlatz des ausgeblichenen Waffenrocks des Mannes, den drei ineinander verschränkte Kreise zierten.
    Gabriel machte einen Schritt nach vorn, mehr um Michael zu schützen als um selbst anzugreifen, aber der Mann ließ das Schwert fallen, warf die Arme nach oben und sank auf die Knie. »Ich ergebe mich!«, rief er. »Bringt mich nicht um. Bitte bringt den armen Bert nicht um!« Und daraufhin brach er in Tränen aus.
    Michael betrachtete das Häufchen Elend auf dem Fußboden. »Er ist irgendwie ganz anders als ich erwartet hatte«, bemerkte er.
    »Vermutlich ist er schon sehr lange hier«, erwiderte Gabriel, »und wahrscheinlich ganz allein. Einsamkeit kann eine verheerende Wirkung auf den menschlichen Geist haben.«
    Ganz offensichtlich, dachte Michael.
    Der Mann hatte aufgehört zu wimmern und hoffte wohl mittlerweile, dass Gabriel und Michael ihn – zumindest vorläufig – nicht ermorden würden. Er hatte sich auf die niedrige Steinbank gesetzt, die an der Wand entlang verlief, und beruhigte seine Nerven, indem er knirschend einen glänzenden schwarzen Käfer verspeiste, den er aus der Tasche seines Umhangs gezogen hatte.
    »Ich hatte mir den Wächter nur irgendwie … sauberer vorgestellt. Und ich hätte nicht gedacht, dass er Bert heißen würde.«
    »Willst du ihn befragen oder soll ich es tun?«, wollte Gabriel wissen.
    Natürlich galt es als Nächstes herauszufinden, wer der Mann war. War er tatsächlich ein Mitglied des Ordens? War er allein oder gab es noch andere? Saß der Drache hinter dem Eisentor eingesperrt, im Inneren des Vulkans? Bewachte er das Buch Rubyn? Welche Verbindung gab es zwischen dem Drachen und dem Mann? Warum hatte der Drache Emma hier oben im Turm gelassen? Und am Allerwichtigsten: Was war mit ihr geschehen und wie konnte man es rückgängig machen?
    Michael schaute zu seiner Schwester. Ihr Mund stand leicht offen, als ob sie etwas sagen wollte. Die Augen hatte sie verengt und auf ihrer Stirn lag eine Falte. Michael sah, dass die Hände zu Fäusten geballt waren. Er kannte diese Anzeichen. Er hätte sich denken können, dass seine Schwester sehr, sehr wütend gewesen war, als man sie eingefroren hatte.
    »Ich mache es.« Emma war seine Schwester. Er war für sie verantwortlich.
    »Gut. Ich bin direkt hinter dir, wenn du mich brauchst. Aber beeil dich.« Gabriel warf ihm einen eindringlichen Blick zu. »Ich möchte ungern von diesem Drachen überrascht werden.«
    Michael, der dazu ebenfalls keine Lust verspürte, trat rasch einen Schritt vor.
    »Also schön. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Der Mann hatte mit einem Käferbein zwischen seinen Zähnen herumgestochert. Jetzt setzte er sich auf, strich mit beiden Händen seinen Bart glatt und setzte ein übereifriges Lächeln auf. Er war verrückt, das war nicht zu übersehen, dachte Michael, aber er schien nett-verrückt zu sein und nicht Ich-töte-dich-Ich-töte-dich-verrückt.
    »Ach, ich liebe eine gute Unterhaltung! Ich bekomme so gern Besuch, aber Bert hatte keinen mehr seit … nun, seit … noch nie.« Er sprach schnell und trillernd, wie ein aufgescheuchter Vogel. »Ach, Bert tut das Ganze so leid, nein wirklich!« Er tat so, als hielte er ein Schwert in den Händen und würde damit ausholen. »Ich … na ja, wisst ihr, ich dachte, ihr wärt Elfen.«
    »Nun ja, dann ist Ihre Reaktion wohl verständlich«, sagte Michael. »Mir würde es auch nicht gefallen, wenn Elfen in meinem Haus herumschnüffeln würden.« Noch während er das sagte, kramte Michael in seinem Gedächtnis hervor, was in Alles über Zwerge zum Thema »Verhör« geschrieben stand. Wieder einmal dachte Michael bewundernd, dass dieses Buch wirklich für alle Lebenslagen geeignet war. Er erinnerte sich daran, dass der Autor G. G. Greenleaf vorschlug, zunächst einmal eine kameradschaftliche Beziehung zu dem Befragten aufzubauen. Und dann, wenn dessen Wachsamkeit nachließ, solle man ihm mit der Keule eins überziehen. Das wird ihn lehren, sich zu widersetzen. Ha! Michael hatte nicht vor, gewalttätig zu werden, aber die Sache mit der kameradschaftlichen Beziehung schien ihm eine gute Idee zu sein. Und so sagte er in kumpelhaftem Ton: »Sagen Sie mal, mein Freund. Sie sind doch einer vom Orden, nicht wahr? Einer der Wächter des Buchs.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Bert ist nicht einer vom Orden –«
    »Aber Sie haben doch das Zeichen auf Ihrer –«
    »Bert ist nicht einer

Weitere Kostenlose Bücher